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Montag, 12. März 2012

Jeden Tag ein bißchen besser

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Stefan Krebs, Pressesprecher der EKHN hat im vergangenen Jahr eine Morgendandacht im Rundfunk gehalten, die mir nun im Zusammenhang der diesjährigen Fastenaktion "7 Wochen ohne" (in diesem Jahr "ohne falschen Ehrgeiz") erneut begegnet ist. Die Andacht ist als Ganzes sehr lesenswert (und hörenswert) - daher der Link unten zum Nachlesen und zum Hören. Zitieren möchte ich hier aber nur einen Abschnitt aus dem Text. Stefan Krebs schreibt:

"Jeden Tag ein bisschen besser - diesen Spruch höre ich ... beim Einkaufen im Supermarkt. Es ist der Slogan einer großen Lebensmittelkette in meiner Gegend. Ich bin sehr zufrieden mit dem Laden. Er ist gepflegt. Die Regale sind gut sortiert. Es gibt ökologisch sinnvolle Produkte. Das Personal ist freundlich. Das Betriebsklima stimmt. Alles bestens, finde ich. Aber aus dem Ladenlautsprecher und auch in der Radiowerbung tönt es immer wieder: „Jeden Tag ein bisschen besser.“ Und ich befürchte: Damit ist nicht gemeint, dass das Personal jeden Tag ein bisschen besser bezahlt wird. Eher höre ich darin den immerwährenden Anspruch, sich jeden Tag noch mehr anstrengen zu sollen. Und ich sehe den strengen Herrn aus der Controlling-Abteilung vor mir, wie er nachprüft, ob die Regale heute noch voller und schöner sind als gestern, die Gänge noch besser geputzt, das Lächeln der Kassiererinnen noch gewinnender und der Umsatz noch höher ist. Und übermorgen wieder? Das kann doch gar nicht gehen. Wer unter diesem Slogan arbeitet, kann nie zufrieden sein."

Als Gegenpol zu "Jeden Tag ein bißchen besser" stellt er das Wort: "Gut genug!".

Ich merke, wie ich fasziniert bin, diesem Wort gerne zu folgen. Es ist verlockend, diesés "Gut genug!" Auf dem "Gut genug!" kann ich ausruhen, bin ich auf der sicheren Seite und erhalte eine Wertschätzung, die mir gut tut. Aber doch spüre ich, dass es mich unruhig läßt. "Gut genug!" ist eine Station, die notwendig ist, aber bleibt es nicht nur eine Zwischenstation?

Ich möchte es gerne besser. Ja, ich möchte zum Beispiel mich selbst "besser". Es gibt einiges, das ich an mir auszusetzen habe. Ich wünsche mir etwas mehr "Sportlichkeit" und es fällt mir sicherlich noch das eine oder andere mehr ein. Ich möchte auch meine Arbeit verbessern. Ich möchte das Religionspädagogische Insitut, für das ich und unser Team steht, besser machen - für die Lehrkräfte - für die Schulen. Ich möchte einen besseren Religionsunterricht an den Schulen und eine bessere Konfi-Arbeit in unserer Kirche. Ich möchte auch eine bessere Welt, als die, in der es uns aufgegeben ist zu leben. Und ich freue mich unbändig, wenn wieder ein Schritt in diese bessere Zukunft gelingt.

Aber ich möchte dies in der Tat nicht jeden Tag tun müssen. Und ich brauche auch das Recht, einmal einen dicken Fehler machen zu können. Ich merke, dass ich beides brauche. Das "Besser werden wollen" damit mein Leben ein Ziel findet und das "Gut genug" damit es eine Sicherheit und einen Ruhepol bekommt.

Mit der diesjährigen Fastenaktion " 7 Wochen ohne falschen Ehrgeiz" kann ich nicht viel anfangen, denn beim Fasten verzichte ich nicht auf etwas Lebensfeindliches und Unangenehmes "Falscher Ehrgeiz" schadet - und zwar immer. Darauf gilt es "immer" zu verzichten. Bei einer Fastenaktion verzichte ich auf etwas, das ich meine zu brauchen und lerne dabei, dass es auch ohne geht - zeitweise. Und dann freue ich mich, wenn ích danach wieder das Fasten brechen darf.
Also einfach das "falsch" vor dem Ehrgeiz streichen und 7 Wochen einmal darauf verzichten, alles verbessern zu wollen, zu verändern, die Defizite verringern zu wollen. Wäre es eine hiolfreiche Zeit einmal mich zu konzentrieren auf das "Gut genug!" und dieses ganz in den Mittelpunkt zu stellen: Was ist es an mir persönlich, zu dem ich mit gutem Gefühl sagen kann: "Gut genug!" Eine Zeitlang darauf schauen, was uns in unserer Arbeit gelungen ist und dies wirken lassen. Eine Zeitlang sich von den Dingen in unserer Gesellschaft beeindrucken lassen, die ein gutes Zusamenleben ermöglichen. In diesem Auszuruhen kann man Kraft zu sammeln, um sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und dann das Fasten wieder brechen und wieder aufbrechen, anpacken und sich und andere bewegen.

"Jeden Tag ein bißchen besser!"- Nein auf keinen Fall. Aber sich besinnend auf das "Gut genug" für uns selbst, für unsere Freunde, für unsere Lieben, für Gott, und gerade deshalb uns und alle Dinge besser machen...

Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI


Links:
Andacht von Stefan Krebs: http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radiodeutschlandfunkmorgenandachtmorgenandacht-jeden-tag-ein-bisschen-besser

Fastenaktion 2012: http://www.7wochenohne.evangelisch.de/startseite

36 Gerechte

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kennen Sie die Legende der 36 Gerechten? Die Legende von den 36 Gerechten besagt, dass es auf der Welt stets sechsunddreißig Gerechte gibt, um derentwillen Gott die Welt, trotz ihrer Sündhaftigkeit, nicht untergehen lässt. Die Sechsunddreißig sind namenlos, niemand weiß, ob sie arm oder reich, Wasserträger, Hausmeister, Schuhmacher, Soldaten oder Kaufleute sind – aber ohne ihre selbstlosen Werke wäre die Welt längst zerstört. Sobald einer der 36 Gerechten stirbt, wird ein weiterer Gerechter geboren. Auch die Gerechten selbst wissen nicht, dass sie zu dieser Gruppe dazugehören.

Es gibt mittlerweile neben bekannten Werken und Autor/innen des 20. Jahrhunderts, die auf diese Legende Bezug nehmen ( Max Brod, Rose Ausländer, Hanna Arendt, u.a.) auch einige der trendigen religiösen Thriller, die sich um die 36 Gerechten ranken., so zum Beispiel "Das Buch der Namen" von Jill Gregory oder "Die Gerechten" von Sam Bourne oder ganz neu "Die Auserwählten" von A.J. Kazinski. Aus einer Rezension: "Selten hat ein Ende eines Buches in solcher Weise mehrfach überraschen können. Auch die Einordnung des Buches als 'Thriller' erfasst das Wesen des Buches nicht in völliger Form. Am ehesten lässt sich der Aufbau, die Erzählweise und eben vor allem das Ende noch vergleichen mit 'The sixth sense', auch wenn das Sujet trotz der Bezüge zu 'Nahtoderlebnissen', sich doch stark vom Film unterscheidet. In der Komposition des Buches aber liegt dieser Vergleich durchaus nahe.

Laut der Überlieferung des Talmud existieren zu jeder Zeit seit Beginn der Schöpfung, 36 Gerechte, welche die Menschheit schützen. Jene Auserwählten haben einige Gemeinsamkeiten, wissen aber weder von ihrer Erwählung noch kennen sie einander. Was passiert, wenn diese Gerechte, einer nach dem andere von der Erde verschwinden? Und warum sollte das jemand tun?" In dem Buch sagt ein Rabbi: "Der Gedanke gefällt mir gut. Sehen Sie sich die Welt an. Krieg, Terror, Hunger, Armut und Krankheiten. Nehmen Sie zum Beispiel den Nahost-Konflikt. Eine Gegend auf dieser Welt mit so viel Hass, so viel Frustration, dass hinter jeder Ecke ein neuer Attentäter steht. Checkpoints und Mauern sind zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden. Wenn ich hier aus meinem kleinen ... Elfenbeinturm auf so eine Welt schaue, gefällt mir der Gedanke sehr, dass es wenigstens — wenigstens - sechsunddreißig Gerechte auf der Welt gibt. Kleine Säulen in Menschengestalt, die sicherstellen, dass wir uns ein Minimum an Güte und Gerechtigkeit bewahrt haben."

Ich gehe mit. Ich war erschüttert, als ich vor einigen Tagen im Radio eine Berichterstattung über den sog. Super-Tuesday der Vorwahlen zur us-amerikanischen Präsidentschaftswahl hörte. Die Reporterin sagte: "Mit den Kosten des Wahlkampfes können Sie sich einen afrikanischen Staat kaufen!" Ich habe nachgeschaut. Der aktuelle Wahlkampf in den USA kostet vorrausichtlich acht Milliarden Dollar. Eine Milliarde alleine gibt der gegenwärtige Amtsinhaber Obama aus. In Ohio wurden von dem republikanischen Kandidaten Romney eben mal 5 Millionen in den letzten drei Tagen ausgegeben. Helmut Schmidt hat einmal gesagt: "Demokratie ist der Kampf der Argumente". Und dann schaue ich auf die USA und dann mein Blick geht zurück nach Deutschland und ich blicke auf die zu Guttenbergs und die Wullfs und, und, und... und ich finde es tröstlich, dass es irgendwo versteckt und anonym wenigsten 36 Gerechte geben mag. Für die Rettung Sodoms war Gott mit Abraham schon für 50 Gerechte einige geworden und Abraham handelte ihn auf 10 hinunter, nur waren die nirgendwo in Sodom zu finden.

Es grüßt Sie hoffnungsvoll
Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI