Seiten

Dienstag, 13. September 2011

Die Zeichen der Zeit

Unser Sohn ist jetzt ein halbes Jahr in der Schule. Er lernt lesen. Aber das beschreibt es eigentlich nur unzulänglich. Wie wunderbar ist es, beobachten und begleiten zu können, wie in Kind beginnt Buchstaben zu stammeln, dann ungelenk und ohne zunächst zu verstehen Wörter aus scheinbar unzusammenhängenden Buchstaben artikuliert und dann plötzlich entdeckt, dass ein Sinn in diesen Zeichen steckt und das, was da geschrieben steht, etwas bedeutet. Wörter bilden Sinn ab. Als Jasser im Kindergarten war, hat er auch schon gerne "geschrieben". Er füllte manchmal Seite um Seite mit exotisch aussehenden hieroglyphenähnlichen Zeichen. "Schau mal Papa, ich kann schreien!" Ebenso konnte er lesen. Er nahm ein Buch und las alles Mögliche aus seiner Phantasie vor. "Sieh mal, ich kann lesen!" Jetzt ist er wirklich dabei, den Sinn der hinter den Zeichen liegt, zu verstehen. Er entdeckt eine neue Welt.

Das ist jetzt nicht für den kleinen Weltentdecker, sondern auch für die Eltern eine
wunderbare Zeit. Manchmal fürchte ich, dass uns diese wunderbaren Zeiten verloren gehen, weil sich die berechtigten oder unberechtigten Sorgen des Alltages, der Ärger und Frust oder auch die Routine darüberlegen und wir das jeweils Wunderbare unser gegenwärtigen Zeit nicht mehr entdecken können. Ich vermute fast, dass jede Zeit ihr eigenes Wunderbare hat und wir uns dafür nur nicht verschließen dürfen. Schauen Sie doch mal in Ihrer gegenwärtigen Zeit. Und finden Sie das Wunderbare. Unsere Zeit steht in Gottes Hand. Sie steht. Der Augenblick - jetzt - steht in Gottes Hand.

Dort findet all unsere Zeit ihren halt. So ist Zeit wirklich immer auch eine qualifizierte Zeit. Wie kostbar und wie wertvoll. In der Kostbarkeit unserer Augenblicke entdecken wir eine neue Welt - und den Sinn, der hinter so vielen Zeichen liegt.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Die "richtige Geschichte von Emmaus"

Im Unterricht einer dritten Klasse erzählt die Lehrerin die Emmaus-Geschichte. Als Sie an der Stelle angekommen ist, an der zu den beiden resignierten Jüngern der Fremde hinzutritt, bricht sie die Erzählung ab. Die Kinder sollen nun die Geschichte so weitererzählen, wie sie sich den Fortgang der Handlung vorstellen können. Anschließend versammelt sich die Klasse im Sitzkreis. Amelia trägt ihre Version der Geschichte vor. Sie wußte wohl noch etwas von der Ostergeschichte und vermischt gekonnt die Ostermorgengeschichte der drei Frauen mit der Emmaustradition. Dann sagt die Lehrerin mit Blick auf die Uhr: "Leider können wir nun Eure anderen Geschichten nicht mehr hören, denn ich will auf jeden Fall euch noch die richtige Geschichte erzählen. "Nein, es geht mir nicht darum, was in dieser Stunde alles falsch gelaufen ist.

Vielmehr hat sich bei mir dieses Wort "richtig" festgesetzt und auf dem Nachhauseweg von diesem Unterrichtsbesuch hing ich meinen Gedanken nach. Es gibt hier in der Tat eine "richtige" Version. Denn wenn die Emmausgeschichte anders verlaufen wäre, würden wir heute in einer anderen, hoffnungslosen und zerrütteten Welt leben. In der Tat hätte man sich viele andere Handlungsalternativen vorstellen können. Der Fremde hört die Klage der Jünger und sagt: "Ach, das Leben geht weiter. Auch mir ist schon viel Unglück geschehen". Oder: "Oje, ihr habt Schlimmes durchgemacht, ich kenne da jemanden, der euch helfen kann. Die Behandlung ist auch gar nict so teuer." Oder: "Ich habe es immer gesagt, die Römer sind unser Unglück. Schließt euch unserem Widerstand an". Wieso lief die Geschichte so wie sie lief. Was machte sie zu dieser "richtigen" Version?

Zuerst dachte ich: Weil der Fremde das Brot brach. Dadurch erkannten die Jünger ihren Meister wieder. Also ist es Jesus, der von sich den Schritt auf uns Menschen zu geht und damit Hoffnung spendet. Dann dachte ich: Nein, es war vorher schon. Wenn die Jünger den Fremden nicht geradezu gedrängt häten, einzukehren (Bleibe bei uns...), dann wäre es zu der Essenszene gar nicht gekommen. Also ist es das Insistieren der Menschen auf einen alternativen, einen gelingenden Verlauf ihrer Lebensgeschichte, aus der Hoffnung erwächst. Dann dachte ich: Nein, es muss einen Grund gegeben haben, dass die Jünger so insistiert haben. Der liegt in dem Gespräch auf dem Weg. Und in diesem Gespräch legte der Fremde den Jüngern die profetischen Texte aus, so dass diese später sagten: "Brannte nicht unser Herz...". Ja, das ist es. Der Versuch, anhand der biblischen Traditionen unsere Gegenwart zu verstehen, schafft immer wieder neue Blickrichtungen auf unser Leben, schafft Hoffnung auf ein anderes und besseres Leben, eine Alternativversion, die unter Gottes Führung steht.

Die biblischen Traditionen mit Kindern und Jugendlichen so zu deuten, dass die Herzen zu brennen beginnen, das ist unser Geschäft als Unterrichtende im Fach Religion. Dass dies gelingen möge, wünsche ich Ihnen von Herzen. Dass dies gelingen möge, dafür arbeiten wir - das gesamte Team - im Religionspädagogischen Studienzentrum in Schönberg.

Auch diese junge Lehrerin, von der ich anfangs erzählte, hat etwas erreicht. Denn am Schluß der Stunde, als sie mit ihrer "richtigen" Version an die Stelle des Brotbrechens kam, deckte Sie ein in der Mitte des Kreises liegendes Tuch auf. Darunter lag ein Fladenbrot. Sie nahm es, das Brot wurde geteilt. Und auch wenn Björn lauthals tönte: " O Wahnsinn: Türkisch Döner!" , so spüren die Kinder doch etwas davon , dass mit dem Teilen des Brotes eine neue Geschichte für die Jünger aus Emmaus begann und diese Geschichte etwas mit Jesus zu tun hat, der nicht im Tode blieb und sie selbst auch heute von diesem Brot essen können.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Ein Engel passt auf


Letzte Woche kam unser Sohn Jasser und hatte ein selbstgemaltes Bild in der Hand. "Ich habe unsere Familie gemalt und einen Engel oben, der alle beschützt". Selbstverständlich war ich väterlicherseits sehr gerührt. Der Hund war auch mit dabei, Sonne und Wolken lächeln und dass ich plötzlich einen Schnurrbart habe, wurde in der Würdigung geflissentlich übersehen. Was hat Jasser zu diesem Bild bewegt, fragte ich mich. Wie kommt ein Junge dazu, am Samstag morgen in der Zeit zwischen dem Aufwachen und dem (etwas späteren) Familienfrühstück ein solches Bild zu malen? Da fiel mir ein, dass er in den letzten Wochen öfters nach Streit zwischen den Eltern fragte. Wenn ich oder meine Frau mal einander eine etwas genervte Antwort gaben, wurde er sofort hellhörig: "Was ist denn los?" Der Hintergrund: Zum zweiten Mal hatte er es erlebt, dass ein gleichaltriges Mädchen aus Kindergarten später Schule die Trennung der Eltern erlebt. "Muß Noemi jetzt ins Kinderheim?", fragte er. Er erlebt dies als eine bedrohliche Situation. Und er malt einen Engel, der alle beschützt.

Dieses Bild ist mir wieder eingefallen, als ich eine Religionspädagogische AG zum Thema "Gottesbilder - Gottesbeziehungen" vorbereitete. Unsere Gottesbeziehungen und Gottesbilder sind abhängig von unserer biographischen Entwicklung und unserer jeweiligen aktuellen Lebenssiutation. Ich denke nicht mehr an einen Engel, der oben schwebt und alle beschützt, aber bedrohliche Situationen kenne ich auch, aus denen heraus ich nach Gott frage. In der AG haben wir darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass die Gottesbilder der Kindheit sich verändern. Und dass dies Trauerprozesse sind, weil es um Abschiede geht. Ich muss mich von dem alten Mann Gottvater und den schwebenden Engel verabschieden, von Bildern die mir Sicherheit gaben.

Aber nur so finde ich neue tragfähige Bilder von Gott, die dann in Bedrohungen wirklich helfen können. Was, wenn mir nur der fliegende Engel geblieben wäre? Die Rolle des Religionsunterrichtes in der Neufindung von Gottesbildern ist nicht zu überschätzen.

Aber dann kam mir noch eine andere Begebenheit in den Sinn. Ein Kollege, mit dem ich seit langem freundschaftlich verbunden bin, erzählte mir von seiner Erfahrung im Studienurlaub. Er hatte eine Auszeit genommen, um eine Zeit für sich zu haben und zu meditieren. Sein Resumée war überraschend und auch erschreckend. "In der Gottesbeziehung finde ich immer wieder mich selbst und meine ganz eigene Disposition, Beziehungen zu gestalten", sagte er. Ich fand dies einen beunruhigenden Gedanken. Wenn ich von mir weiß, dass ich in Beziehungen immer der Ausgleichende bin und Harmonien suche, was heißt das für meine Gottesbeziehung?

Wenn ich in Beziehungen immer in eine Opferrolle mich hineinbegebe, was heißt dies für meine Gottesbeziehung? Wenn ich in Beziehungen offensiv das Meine suche und auf mich ausgerichtet bin, was heißt das für meine Gottesbeziehung? Wenn ich Menschen (und Partnern) gegenüber immer (vergebens) darauf warte, angesprochen zu werden, warte ich dann auch vergebens auf Gottes Zuspruch? Mich beunruhigen diese Gedanken und ich habe Sie noch nicht zu Ende gedacht. Es lohnt sich auch verschiedenen biblische Erzählungen einmal unter dieser Fragestellung zu lesen. Ich vermute, es sind Geschichten zu finden, in denen Gott die Menschen anspricht und sie verändert. Zum Beispiel Mose, den schüchternen, redeungewandten Schafhirten macht er zum Sprecher und Anführer eines Volkes. Er tat dies gegen den Widerstand des Mose.

Wo spricht Gott mich an? Womöglich in meinen Widerständen. Wenn ich diese überwinde, kann ich mich verändern. Das Gute an unserem Gott ist, dass er nicht nur in Veränderungsprozesse hineinruft, sondern dass er dann wenn man sich auf den Weg gemacht hat, seine Widerstände zu überwinden, dabei bleibt, begleitet, unterstützt, tröstet, ermutigt, da ist.

Er ist da. Er bleibt da. Er ist präsent. Er bleibt anwesend. So wie der Engel im Bild meines Sohnes, der über der Familie schwebt. Die Möglichkeit zu haben, die Gegenwart Gottes im eigenen leben in Bildern oder Symbolen auszudrücken, Worte zu finden, von dieser Gegenwart Gottes zu reden, dazu ist Religionsunterricht an unseren Schulen da und Kindern und Jugendlichen diese Möglichkeiten zu eröffnen, dazu sind wir da, die wir an unseren Schulen dieses Fach unterrichten.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Erschütterbar sein und widerständig.


Die Kunstgeschichte hat den Bildtypus des trauernden und sitzenden, durch die Merkmale seiner Passion charakterisierten Erlösers mit dem Begriff des "Christus im Elend" belegt. Sie wird auch „Christus in der Rast“ genannt. Es handelt sich um ein en sitzenden Heiland mit einer Hand an der Wange als Geste der Klage. Dieser Typus wird auch Herrgottsruhbild genannt, ein seit dem 14. Jh. bekannte Darstellung des sitzenden Heilands mit Dornenkrone und Geißelwunden, aber ohne die Wunden der Kreuzesnägel und des Lanzenstichs.

Das häufig vollplastisch ausgeführte Passionsmotiv gibt die Szene unmittelbar nach der Dornenkrönung und der Verspottung Christi wieder. Es sind zwei Versionen des Sujets überliefert. Bei der einen hält der häufig in einen Purpurmantel gehüllte und mit der Dornenkrone gekrönte, sitzend dargestellte Christus eine Geißel oder das Spottzepter in den gefesselten Händen. Beim zweiten Typus stützt Jesus einen Ellbogen an den Schenkeln auf und hält das Kinn bzw. eine Wange mit einer Hand, eine alte Geste der Klage. Diese Art der Gestaltung heißt im Volksmund auch "Zahnwehherrgott".

Bereits Johannes Molanus wies in seiner 1570 in Löwen veröffentlichten Schrift mit dem Titel "De historia Imaginum et Pictuarum" auf die Häufigkeit von Darstellungen des auf einem Stein isoliert sitzenden Christus in Kirchen hin. Der Autor machte ferner auf den Umstand aufmerksam, dass diese Skulpturen sich nicht auf eine bestimmbare Passage der Bibel bezögen, indem er ausführte: "Das Bild des auf einem Stein sitzenden Christus… das häufig in Kirchen anzutreffen ist, besitzt keinen Beleg in der Heiligen Schrift".

Mit der neuzeitlichen Wortschöpfung des "Andachtsbildes" wird das Bildthema umschrieben, dem Betrachtenden die Möglichkeit zu einer kontemplativen Versenkung in den Bildgegenstand zu geben. Mustergültig scheint diese Bildfunktion folgende Passage des von Jörg Wickram 1555 verfassten "Rollwagenbüchleins" zu illustrieren. Von einem Wanderer, der an einem am Wegesrand befindlichen Kruzifix vorbeikommt heißt es hier: "stuond also ein wenig still, den herrgott anzuoschauwen, sein ellend und verlust zuo betrachten". Der Bildtypus des "Elendschristus" , der sich punktuell im ausgehenden 14. Jahrhundert nachweisen lässt und im Laufe des 15. Jahrhunderts große geografische Verbreitung findet, die sich von Burgund bis nach Polen erstreckt, steht ohne Zweifel in Zusammenhang zu epochentypischen Gebets- und Andachtsformen. Es handelt sich um eine verinnerlichte, insbesondere für den Laienstand bestimmte Frömmigkeit, eine gefühlsbetonte Teilhabe am Leiden Christi.

Nikolaus von Kues (1401-1464) verkündet in dieser Zeit das Prinzip der "docta ignorantia", der gelehrten Unkenntnis, die gegenüber dem berufsmäßigen Theologen dem Laien einen priviligierten Status in seiner unmittelbaren und stark gefühlsgetragenen Anteilnahme am Heilsgeschehen einräumt. Ziel der Gebets- und Meditationsübungen ist die "imitatio Christi", die Nachfolge Christi, die sich in erster Linie durch das Mitleiden seiner Leidensgeschichte, der so genannten "compassio" vollziehe.

Diese Skulptur hier stammt aus Krakau. Der „Christus in der Rast“ ist ein häufiges Motiv der polnischen Volkskultur. Mich hat diese Skulptur sehr angesprochen. Ich würde sie nicht „Christus im Elend“ nennen. Sie verkörpert für mich vielmehr Melancholie etwas Traurigkeit. Nachdenken. Welchen Titel würden Sie dieser Figur geben?

Rasten,
um wach zu bleiben,
hellwach für alles,
was so geschieht.

Erschütterbar sein
und widerständig.

Das ist für mich die Botschaft dieser Christus Figur.

Für mich ganz persönlich ist dies eine Erfahrung, die ich aus dem Prozess um die Schließung des RPZs für mich selbst gemacht habe und die mir geschenkt wurde.

Für Sie mag es eine Botschaft sein, die Ihnen möglicherweise in anderen Bedrängnissen Mut und Hoffnung gibt.

Uwe Martini, 2.8.11 (Andacht am letzten "Schönberger Tag")

Es macht einen Unterschied

Was war das für ein seltsamer Gottesdienst! Vielleicht lag es an der Tatsache, dass seit langem gerade an diesem Sonntagmorgen sich wieder einmal die Sonne zeigte, dass kaum Teilnehmer aus der Kerngemeinde sich versammelten. So waren wir fast unter uns mit den Konfirmanden und einer Tauffamilie. Diese fühlte sich deutlich fremd. Die Liturgie war ihnen fremd. Lieder wurden nicht mitgesungen, noch nicht einmal das Gesangbuch schlugen sie auf, um die Lieder mitzuverfolgen. Kein Glaubensbekenntnis und kein Vater Unser wurde mitgesprochen. Kennen und können sie es nicht mehr? Wollen sie nicht? Ist es einfach ungewohnt. Die Mutter war mit dem Täufling beschäftigt, der die ganze Zeit krähte und mit seinem Spielzeug auf die Kirchenbank schlug. Der Pate kaute Kaugummi und sah desinteressiert aus. Eine Verwandte sprach die ganze Zeit mit ihrer Nachbarin und amüsierte sich sehr über etwas, das ich nicht ausmachen konnte. Der Opa war damit beschäftigt pausenlos dem Täuflingbaby ein "duzi duzi" zuzurufen. Die Pfarrerin war freundlich und zugewandt - aber auch irritiert.

Warum ist diese Gesellschaft zur Taufe in einen Gottesdienst gekommen, wo sie doch in demselben deutlich demonstrieren, dass sie an diesem Geschehen nicht Anteil nehmen und auch nicht Anteil nehmen wollen. Soll so wirklich unser Kirche sein?´Dann sprach die Pfarrerin im Gebet den Satz: "... und deshalb vertrauen wir heute den kleinen Pascal Gott an ..." In meinem Kopf machte es plötzlich "Klick" und ich wußte mit einem Mal, dass das Leben dieses kleinen Kindes anders verlaufen würde, hätten seine Eltern ihn nicht in diesen Gottesdienst gebracht, so seltsam dieser Taufgottesdiendt auch war und so schräg die Atmosphäre sich gestaltete. Es macht einen Unterschied! Und dieser Unterschied wirkt und wirkt sich aus ...

Dann dachte ich an die vielen Stunden Religionsunterricht mit müden und
desinteressierten Schülern - sowohl an die Stunden, die ich selbst erteilte, als auch die, die ich als Studienleiter gesehen und von denen mir in Fortbildung, Beratung oder beim Bier erzählt wurde. Es gab ja auch viele gute Stunden, aber gerade diese schrägen und offensichtlich mißglückten Zeiten belasten einen ja weiterhin. Und so denke ich an diesen kleinen Täufling und denke, dass auch wenn manche Stunde RU mir quälend vorkam, das Desinteresse greifbar schien, und ich am liebsten die Sache hingeschmissen hätte: Ich habe den Kindern vom Evangelium erzählt, ich habe ihnen versucht den menschenfreundlichen Gott nahezubringen, wir haben gebetet, wir haben gesungen, wir haben in der Bibel gelesen und es macht einen Unterschied.

Es macht einen Unterschied, weil in all diesen Beziehungen immer ein kleiner Platz auch reserviert war für Gott und er somit handeln kann über unser Handeln hinweg. Das macht den Unterschied.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame Sommerzeit!
Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Unsere Zeit...

Die Ferienzeit geht zu Ende. Ein neues Schuljahr steht vor der Tür. Was wird es bringen?

Gehen Sie mit freudigen Erwartungen in diese neue Zeit hinein, oder ist die Aussicht eher eine Belastung? "Meine Zeit steht in deinen Händen .." so beginnt ein Lied, das in den letzten Jahren in unserer Gemeinde besonders bei unseren KonfirmandInnen hoch im Kurs stand. Das liegt sicherlich an der eingängigen und balladenhaften Melodie, aber auch an dem was dieses Lied sagt: "Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibts Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein starkes Herz, mach es fest in dir".

Das ist ein faszinierendes Lied. In dem Lied "steht" die Zeit. Unsere Zeit fließt, manchmal schnell, manchmal langsam, aber sie fließt und entgleitet uns damit stetig. In Gottes Hand aber steht sie. Nichts von meiner Lebenszeit geht verloren. In Gottes Hand werden bewahrt die süßen und die bitteren Momente meines Lebens. Die Zeit, in der ich glücklich bin und die Zeit, in der ich traurig bin. Meine Freuden und meine Lasten. All dies hat in Gottes Hand einen Wert. Er sortiert nicht aus. Es wird nicht gefiltert.

Jeder Moment hat seinen Wert, weil alles zusammen mein Leben ausmacht und weil all diese Zeit und Zeiten zusammen mein Leben und damit auch mich als Person ausmachen. Und dies hängt nicht irgendwo im luftleeren Raum oder über irgendeinem Abgrund, sondern steht in Gottes Hand.

Dieser Gedanke hilft mir, die Ferienzeit abzuschließen und in das neue Schuljahr hineinzugehen, und zwar sowohl mit freudiger Erwartung, als auch mit bangen Befürchtungen. All unsere Zeit steht in Gottes Hand. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit diesem Gedanken in das neue Schuljahr gehen können. Das Lied geht weiter: "Gib mir ein starkes Herz, mach es fest in dir!" Und Gott wird uns ein starkes Herz geben, er wird es fest machen, damit wir unsre Zeit bestehen.

Gute Wünsche für Sie
Ihr
Uwe Martini

Ein Lied

Bei Karl Dienst in "Religionspädagogik zwischen Schule und Kirche. Religionspädagogische Ursprungs- und Erschliessungssituationen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau" fand ich ein Lied.

Es steht in dem 1800 von Johann Wilhelm Recke (1764-1835) aus Lennep herausgegebenem Gesangbuch: „Christliche Gesänge zur Beförderung eines frommen Sinnes und Wandels und zum Gebrauch bei der öffentlichen und häuslichen Gottes-Verehrung. Elberfeld, Druck und Verlag von Sam. Lucas“. Das Gesangbuch wurde 1808 in Lennep eingeführt und war dort bis 1860 in Gebrauch.

Auf die Melodie „Herr Jesu Christ, mein‘s Lebens Licht“ wurde als Lied Nr. 385 gesungen:
„Das Amt der Lehrer, Gott, ist dein;
Dein soll auch Dank und Ehre sein,
Daß Du der Kirche, die du liebst,
Noch immer treue Lehrer gibst.
Gesegnet sei ihr Amt und Stand!
Sie pflanzen, Herr, von dir gesandt,
Von Jahr zu Jahr dein heilig Wort,
Und mit ihm Licht und Tugend fort.
Laß ihrer Fehler wegen nicht,
Verachtet sein ihr Unterricht!
Nimm, Gott, auch ihrer Schwachheit dann,
So wie der unsrigen dich an!
Der Frevel sei verbannt, o Gott,
zu kränken sie durch Haß und Spott!
Gib, daß ihr Herz von Seufzern frei,
Und fern von bangen Sorgen sei“.

Warum gibt es heute eigentlich keine Lieder für Lehrkräfte in unseren Lieder- und
Gesangbüchern?
Es grüßt Sie
herzlich
Uwe Martini

Lob des Schulmeisters

Aus einer der Predigten Luthers: "Dies sage ich in aller Kürze: Einen fleißigen, ehrbaren Schulmeister oder Magister, oder wer es ist, der Knaben treulich erzieht und lehrt, den kann man niemals genug belohnen und mit keinem Geld bezahlen. Dennoch wird’s bei uns so schändlich verachtet, als sei es gar nichts, und sie wollen dennoch Christen sein. Aber ich, wenn ich vorn Predigtamt und anderen Dingen lassen könnte oder müsste, so wollte ich kein Amt lieber haben, als Schulmeister oder Knabenlehrer zu sein. Denn ich weiß, dass dieser Beruf nächst dem Predigtamt der allernützlichste, wichtigste und beste ist. Ich weiß noch nicht einmal, welcher von beiden der bessere ist; denn es ist schwer, alte Hunde zahm und alte Bösewichte fromm zu machen, woran doch das Predigtamt arbeitet und viel vergeblich arbeiten muss. Aber die jungen Bäumchen kann man besser biegen und aufziehen, obgleich auch manche dabei zerbrechen. Lieber, lass es der höchsten Tugenden eine sein auf Erden, fremden Leuten ihre Kinder treulich zu erziehen, welches gar wenige und fast niemand tut mit seinen eigenen.“

Na, dem ist doch nichts hinzuzufügen.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen November - Freuen wir uns auf den Advent!

Es grüßt Sie
Uwe Martini

Mittwoch, 7. September 2011

Ein Beffchen erzählt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
manchmal können kleine Dinge Geschichten erzählen. Kleine Geschichten aus dem Alltag, die zum Schmunzeln oder Nachdenken anregen. Ein solches kleines Ding ist zum Beispiel das Beffchen. Wikipedia schreibt über das Beffchen: "Das Beffchen (auch Bäffchen, von lateinisch biffa „die Halsbinde“) ist ein seit dem 17. Jahrhundert am Halsausschnitt getragenes 10–15 cm langes rechteckiges weißes Leinenstück. Es ist ein Rest des früher unter dem sogenannten „Mühlsteinkragen“ getragenen kleineren Kragens. Ab 1680 gehörte eine Halsbinde mit zwei auf die Brust herunterhängenden, nur wenige Zentimeter breiten Leinenstreifen zur bürgerlichen Tracht der Männer, dem Jabot vergleichbar, und war keinesfalls Amtstracht des lutherischen Pfarrers im Gottesdienst. Erst im 19. Jahrhundert wurde durch die Anordnung König Friedrich Wilhelm III. das Beffchen mit schwarzem Talar zum liturgischen Kleidungsstück im evangelischen Gottesdienst. Bis heute hat sich das Beffchen in der Amtstracht der evangelischen Geistlichen erhalten. Hier ist es fester Bestandteil des Talars. Ebenso gehört es in den jüdischen Gemeinden zum Ornat von Kantor und Rabbiner. Es gibt Beffchen zum Zubinden und zum Anknöpfen; oft werden sie auch einfach nur in den Kragen des Talars gesteckt. Welches Beffchen der Pfarrer benutzt, bleibt ihm – im Rahmen der jeweiligen landeskirchlichen Kleiderordnungen – überlassen. Nach der Einführung der Frauenordination steht es den Pfarrerinnen in einigen Landeskirchen frei, ob sie ein Beffchen tragen wollen oder nicht. Entscheiden sie sich gegen das Tragen des Beffchens, tragen sie in der Regel einen über den Talar geschlagenen weißen Kragen."

Das Beffchen erzählt Geschichten über seinen Träger/Trägerin. Einmal gibt es ganz offiziell Auskunft über das Bekenntnis: Den "Geheimcode" protestantischer Amtstracht kennt nicht jeder. Das weiße Beffchen ist in einer reformierten, einer lutherischen oder unierten Kirche unterschiedlich geschnitten. Reformierte tragen das, wenn man so will, liturgische Accessoire geschlossen, lutherisch ist der Kragen von oben bis unten geteilt – und die unierte Tracht liegt genau dazwischen, zur Hälfte geschlossen, zur Hälfte getrennt. So ist an diesem kleinen Stückchen Stoff erkennbar, mit wem man es zu tun hat. Aber auch jenseits dieser Bekenntnisbotschaft sagt das Beffchen manches aus: Beffchen werden meist schmucklos, zum Teil aber auch aufwendig mit Hohlsaum oder Stickereien gestaltet und mit Symbolen verziert. Auf www.wasmer.de/beffchen.html findet man sogar Beffchen mit Keltenkreuzen, mit Jerusalemkreuz, mit Regenbogen, in violett mit Öllampe und ein Kindergottesdienstbeffchen. Ich habe auch schon Gottesdienste besucht, wo ein Beffchen am Kragen hing, das man mit Mitleid ansah und ihm mal wieder eine Behandlung mit einem Bügeleisen wünschte.

Am vergangenen Mittwoch feierten wir die Amtseinführung unserer Kollegin Kristina Augst in der Friedensgemeinde in Darmstadt als Studienleiterin des RPI. In der Sakristei bereiteten wir uns auf den Gottesdienst vor und ich merkte vor Schreck: Ich habe mein Beffchen zu Hause liegen gelassen. Da ich nicht mehr Gemeindepfarrer bin und den Talar nicht mehr so häufig brauche (meine Frau braucht einen Handgriff und alles Handwerkzeug ist verlässlich zur Stelle) muss ich den Talar immer aus einer besonderen Schutzhülle nehmen, mein Beffchen ist in meiner Gottesdienstmappe. Die habe ich nicht mitgenommen, da ich im Gottesdienst "nur" die Begrüßung und die Fürbitten zu halten hatte. Das war mein Fehler. AM Gottesdienst waren noch vier weitere ordinierte personen beteiligt, alle im Talar MIT Beffchen. Das sieht nicht gut aus!, dachte ich mir., Was tun? Zum Glück hatte der Kollege Kloß, Leiter des Kirchlichen Schulamtes ein Ersatzbeffchen in der Tasche. Das passte. Nun mag man sagen, stilisiere es nicht zum Symbol, aber warum denn nicht: Die Arbeit des RPI ist gerade in den Regionen auf eine gute Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kirchlichen Schulamt angewiesen. Die Beffchen-Amtshilfe vollzieht diese Zusammenarbeit quasi im liturgisch-symbolischen Rahmen.

Es gibt wahrscheinlich eine Menge solcher "Vergessener-und-Verlorener-Beffchen-Geschichten". Eine Kollegin erzählte von einem Beffchen, das in einer Handtasche auf einem "weit-weg-von-der-Kirche" Parkplatz liegen geblieben war, als der Gottesdienst begann. Sie und ihre Kollegin behalfen sich damit, da zum Glück die beiden niemals gleichzeitig als Liturginnen auftraten, sie jeweils beim Zurückkehren in die Kirchenbank, das Beffchen von einem Talar ab und an den anderen Angeknüpft wurde, sodass das Beffchen den gesamten Gottesdienst mit unterschiedlichen Trägerinnen im Einsatz war.
Mir selbst ist es ebenfalls einmal passiert, dass bei einem Karfreitagsgottesdienst mit meiner Frau, einer von uns beiden das Beffchen nicht parat hatte - ich kann mich nicht mehr erinnern, wessen Beffchen fehle. Wir entschieden uns dafür, dass beide ohne Beffchen den Gottesdienst hielten, da ja auch der Altar schmucklos da stand und taten so, als sei dies am Karfreitag übliche liturgische Gepflogenheit.

Mir geht es so, dass ich im Lauschen auf manch kleine Geschichte oft Großes verstehe. Dabei sind diese kleinen Geschichten meist leise und unscheinbar. Aber es lohnt sich, für die kleinen Geschichten unseres Lebens aufmerksam zu werden, und zu lernen sie zu erzählen - auch im Unterricht.

Eine gute Zeit
wünscht Ihnen


Uwe Martini, Direktor des RPI