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Dienstag, 13. September 2011

Die "richtige Geschichte von Emmaus"

Im Unterricht einer dritten Klasse erzählt die Lehrerin die Emmaus-Geschichte. Als Sie an der Stelle angekommen ist, an der zu den beiden resignierten Jüngern der Fremde hinzutritt, bricht sie die Erzählung ab. Die Kinder sollen nun die Geschichte so weitererzählen, wie sie sich den Fortgang der Handlung vorstellen können. Anschließend versammelt sich die Klasse im Sitzkreis. Amelia trägt ihre Version der Geschichte vor. Sie wußte wohl noch etwas von der Ostergeschichte und vermischt gekonnt die Ostermorgengeschichte der drei Frauen mit der Emmaustradition. Dann sagt die Lehrerin mit Blick auf die Uhr: "Leider können wir nun Eure anderen Geschichten nicht mehr hören, denn ich will auf jeden Fall euch noch die richtige Geschichte erzählen. "Nein, es geht mir nicht darum, was in dieser Stunde alles falsch gelaufen ist.

Vielmehr hat sich bei mir dieses Wort "richtig" festgesetzt und auf dem Nachhauseweg von diesem Unterrichtsbesuch hing ich meinen Gedanken nach. Es gibt hier in der Tat eine "richtige" Version. Denn wenn die Emmausgeschichte anders verlaufen wäre, würden wir heute in einer anderen, hoffnungslosen und zerrütteten Welt leben. In der Tat hätte man sich viele andere Handlungsalternativen vorstellen können. Der Fremde hört die Klage der Jünger und sagt: "Ach, das Leben geht weiter. Auch mir ist schon viel Unglück geschehen". Oder: "Oje, ihr habt Schlimmes durchgemacht, ich kenne da jemanden, der euch helfen kann. Die Behandlung ist auch gar nict so teuer." Oder: "Ich habe es immer gesagt, die Römer sind unser Unglück. Schließt euch unserem Widerstand an". Wieso lief die Geschichte so wie sie lief. Was machte sie zu dieser "richtigen" Version?

Zuerst dachte ich: Weil der Fremde das Brot brach. Dadurch erkannten die Jünger ihren Meister wieder. Also ist es Jesus, der von sich den Schritt auf uns Menschen zu geht und damit Hoffnung spendet. Dann dachte ich: Nein, es war vorher schon. Wenn die Jünger den Fremden nicht geradezu gedrängt häten, einzukehren (Bleibe bei uns...), dann wäre es zu der Essenszene gar nicht gekommen. Also ist es das Insistieren der Menschen auf einen alternativen, einen gelingenden Verlauf ihrer Lebensgeschichte, aus der Hoffnung erwächst. Dann dachte ich: Nein, es muss einen Grund gegeben haben, dass die Jünger so insistiert haben. Der liegt in dem Gespräch auf dem Weg. Und in diesem Gespräch legte der Fremde den Jüngern die profetischen Texte aus, so dass diese später sagten: "Brannte nicht unser Herz...". Ja, das ist es. Der Versuch, anhand der biblischen Traditionen unsere Gegenwart zu verstehen, schafft immer wieder neue Blickrichtungen auf unser Leben, schafft Hoffnung auf ein anderes und besseres Leben, eine Alternativversion, die unter Gottes Führung steht.

Die biblischen Traditionen mit Kindern und Jugendlichen so zu deuten, dass die Herzen zu brennen beginnen, das ist unser Geschäft als Unterrichtende im Fach Religion. Dass dies gelingen möge, wünsche ich Ihnen von Herzen. Dass dies gelingen möge, dafür arbeiten wir - das gesamte Team - im Religionspädagogischen Studienzentrum in Schönberg.

Auch diese junge Lehrerin, von der ich anfangs erzählte, hat etwas erreicht. Denn am Schluß der Stunde, als sie mit ihrer "richtigen" Version an die Stelle des Brotbrechens kam, deckte Sie ein in der Mitte des Kreises liegendes Tuch auf. Darunter lag ein Fladenbrot. Sie nahm es, das Brot wurde geteilt. Und auch wenn Björn lauthals tönte: " O Wahnsinn: Türkisch Döner!" , so spüren die Kinder doch etwas davon , dass mit dem Teilen des Brotes eine neue Geschichte für die Jünger aus Emmaus begann und diese Geschichte etwas mit Jesus zu tun hat, der nicht im Tode blieb und sie selbst auch heute von diesem Brot essen können.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

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