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Montag, 12. März 2012

Jeden Tag ein bißchen besser

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Stefan Krebs, Pressesprecher der EKHN hat im vergangenen Jahr eine Morgendandacht im Rundfunk gehalten, die mir nun im Zusammenhang der diesjährigen Fastenaktion "7 Wochen ohne" (in diesem Jahr "ohne falschen Ehrgeiz") erneut begegnet ist. Die Andacht ist als Ganzes sehr lesenswert (und hörenswert) - daher der Link unten zum Nachlesen und zum Hören. Zitieren möchte ich hier aber nur einen Abschnitt aus dem Text. Stefan Krebs schreibt:

"Jeden Tag ein bisschen besser - diesen Spruch höre ich ... beim Einkaufen im Supermarkt. Es ist der Slogan einer großen Lebensmittelkette in meiner Gegend. Ich bin sehr zufrieden mit dem Laden. Er ist gepflegt. Die Regale sind gut sortiert. Es gibt ökologisch sinnvolle Produkte. Das Personal ist freundlich. Das Betriebsklima stimmt. Alles bestens, finde ich. Aber aus dem Ladenlautsprecher und auch in der Radiowerbung tönt es immer wieder: „Jeden Tag ein bisschen besser.“ Und ich befürchte: Damit ist nicht gemeint, dass das Personal jeden Tag ein bisschen besser bezahlt wird. Eher höre ich darin den immerwährenden Anspruch, sich jeden Tag noch mehr anstrengen zu sollen. Und ich sehe den strengen Herrn aus der Controlling-Abteilung vor mir, wie er nachprüft, ob die Regale heute noch voller und schöner sind als gestern, die Gänge noch besser geputzt, das Lächeln der Kassiererinnen noch gewinnender und der Umsatz noch höher ist. Und übermorgen wieder? Das kann doch gar nicht gehen. Wer unter diesem Slogan arbeitet, kann nie zufrieden sein."

Als Gegenpol zu "Jeden Tag ein bißchen besser" stellt er das Wort: "Gut genug!".

Ich merke, wie ich fasziniert bin, diesem Wort gerne zu folgen. Es ist verlockend, diesés "Gut genug!" Auf dem "Gut genug!" kann ich ausruhen, bin ich auf der sicheren Seite und erhalte eine Wertschätzung, die mir gut tut. Aber doch spüre ich, dass es mich unruhig läßt. "Gut genug!" ist eine Station, die notwendig ist, aber bleibt es nicht nur eine Zwischenstation?

Ich möchte es gerne besser. Ja, ich möchte zum Beispiel mich selbst "besser". Es gibt einiges, das ich an mir auszusetzen habe. Ich wünsche mir etwas mehr "Sportlichkeit" und es fällt mir sicherlich noch das eine oder andere mehr ein. Ich möchte auch meine Arbeit verbessern. Ich möchte das Religionspädagogische Insitut, für das ich und unser Team steht, besser machen - für die Lehrkräfte - für die Schulen. Ich möchte einen besseren Religionsunterricht an den Schulen und eine bessere Konfi-Arbeit in unserer Kirche. Ich möchte auch eine bessere Welt, als die, in der es uns aufgegeben ist zu leben. Und ich freue mich unbändig, wenn wieder ein Schritt in diese bessere Zukunft gelingt.

Aber ich möchte dies in der Tat nicht jeden Tag tun müssen. Und ich brauche auch das Recht, einmal einen dicken Fehler machen zu können. Ich merke, dass ich beides brauche. Das "Besser werden wollen" damit mein Leben ein Ziel findet und das "Gut genug" damit es eine Sicherheit und einen Ruhepol bekommt.

Mit der diesjährigen Fastenaktion " 7 Wochen ohne falschen Ehrgeiz" kann ich nicht viel anfangen, denn beim Fasten verzichte ich nicht auf etwas Lebensfeindliches und Unangenehmes "Falscher Ehrgeiz" schadet - und zwar immer. Darauf gilt es "immer" zu verzichten. Bei einer Fastenaktion verzichte ich auf etwas, das ich meine zu brauchen und lerne dabei, dass es auch ohne geht - zeitweise. Und dann freue ich mich, wenn ích danach wieder das Fasten brechen darf.
Also einfach das "falsch" vor dem Ehrgeiz streichen und 7 Wochen einmal darauf verzichten, alles verbessern zu wollen, zu verändern, die Defizite verringern zu wollen. Wäre es eine hiolfreiche Zeit einmal mich zu konzentrieren auf das "Gut genug!" und dieses ganz in den Mittelpunkt zu stellen: Was ist es an mir persönlich, zu dem ich mit gutem Gefühl sagen kann: "Gut genug!" Eine Zeitlang darauf schauen, was uns in unserer Arbeit gelungen ist und dies wirken lassen. Eine Zeitlang sich von den Dingen in unserer Gesellschaft beeindrucken lassen, die ein gutes Zusamenleben ermöglichen. In diesem Auszuruhen kann man Kraft zu sammeln, um sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und dann das Fasten wieder brechen und wieder aufbrechen, anpacken und sich und andere bewegen.

"Jeden Tag ein bißchen besser!"- Nein auf keinen Fall. Aber sich besinnend auf das "Gut genug" für uns selbst, für unsere Freunde, für unsere Lieben, für Gott, und gerade deshalb uns und alle Dinge besser machen...

Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI


Links:
Andacht von Stefan Krebs: http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radiodeutschlandfunkmorgenandachtmorgenandacht-jeden-tag-ein-bisschen-besser

Fastenaktion 2012: http://www.7wochenohne.evangelisch.de/startseite

36 Gerechte

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kennen Sie die Legende der 36 Gerechten? Die Legende von den 36 Gerechten besagt, dass es auf der Welt stets sechsunddreißig Gerechte gibt, um derentwillen Gott die Welt, trotz ihrer Sündhaftigkeit, nicht untergehen lässt. Die Sechsunddreißig sind namenlos, niemand weiß, ob sie arm oder reich, Wasserträger, Hausmeister, Schuhmacher, Soldaten oder Kaufleute sind – aber ohne ihre selbstlosen Werke wäre die Welt längst zerstört. Sobald einer der 36 Gerechten stirbt, wird ein weiterer Gerechter geboren. Auch die Gerechten selbst wissen nicht, dass sie zu dieser Gruppe dazugehören.

Es gibt mittlerweile neben bekannten Werken und Autor/innen des 20. Jahrhunderts, die auf diese Legende Bezug nehmen ( Max Brod, Rose Ausländer, Hanna Arendt, u.a.) auch einige der trendigen religiösen Thriller, die sich um die 36 Gerechten ranken., so zum Beispiel "Das Buch der Namen" von Jill Gregory oder "Die Gerechten" von Sam Bourne oder ganz neu "Die Auserwählten" von A.J. Kazinski. Aus einer Rezension: "Selten hat ein Ende eines Buches in solcher Weise mehrfach überraschen können. Auch die Einordnung des Buches als 'Thriller' erfasst das Wesen des Buches nicht in völliger Form. Am ehesten lässt sich der Aufbau, die Erzählweise und eben vor allem das Ende noch vergleichen mit 'The sixth sense', auch wenn das Sujet trotz der Bezüge zu 'Nahtoderlebnissen', sich doch stark vom Film unterscheidet. In der Komposition des Buches aber liegt dieser Vergleich durchaus nahe.

Laut der Überlieferung des Talmud existieren zu jeder Zeit seit Beginn der Schöpfung, 36 Gerechte, welche die Menschheit schützen. Jene Auserwählten haben einige Gemeinsamkeiten, wissen aber weder von ihrer Erwählung noch kennen sie einander. Was passiert, wenn diese Gerechte, einer nach dem andere von der Erde verschwinden? Und warum sollte das jemand tun?" In dem Buch sagt ein Rabbi: "Der Gedanke gefällt mir gut. Sehen Sie sich die Welt an. Krieg, Terror, Hunger, Armut und Krankheiten. Nehmen Sie zum Beispiel den Nahost-Konflikt. Eine Gegend auf dieser Welt mit so viel Hass, so viel Frustration, dass hinter jeder Ecke ein neuer Attentäter steht. Checkpoints und Mauern sind zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden. Wenn ich hier aus meinem kleinen ... Elfenbeinturm auf so eine Welt schaue, gefällt mir der Gedanke sehr, dass es wenigstens — wenigstens - sechsunddreißig Gerechte auf der Welt gibt. Kleine Säulen in Menschengestalt, die sicherstellen, dass wir uns ein Minimum an Güte und Gerechtigkeit bewahrt haben."

Ich gehe mit. Ich war erschüttert, als ich vor einigen Tagen im Radio eine Berichterstattung über den sog. Super-Tuesday der Vorwahlen zur us-amerikanischen Präsidentschaftswahl hörte. Die Reporterin sagte: "Mit den Kosten des Wahlkampfes können Sie sich einen afrikanischen Staat kaufen!" Ich habe nachgeschaut. Der aktuelle Wahlkampf in den USA kostet vorrausichtlich acht Milliarden Dollar. Eine Milliarde alleine gibt der gegenwärtige Amtsinhaber Obama aus. In Ohio wurden von dem republikanischen Kandidaten Romney eben mal 5 Millionen in den letzten drei Tagen ausgegeben. Helmut Schmidt hat einmal gesagt: "Demokratie ist der Kampf der Argumente". Und dann schaue ich auf die USA und dann mein Blick geht zurück nach Deutschland und ich blicke auf die zu Guttenbergs und die Wullfs und, und, und... und ich finde es tröstlich, dass es irgendwo versteckt und anonym wenigsten 36 Gerechte geben mag. Für die Rettung Sodoms war Gott mit Abraham schon für 50 Gerechte einige geworden und Abraham handelte ihn auf 10 hinunter, nur waren die nirgendwo in Sodom zu finden.

Es grüßt Sie hoffnungsvoll
Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Muss nur noch schnell die Welt retten...

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Muss nur noch kurz die Welt retten,
danach flieg ich zu dir.
Noch 148 Mails checken.
Wer weiß was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel.
Muss nur noch kurz die Welt retten und gleich danach bin ich wieder bei dir."
Kennen Sie das Lied? Es stammt von Tim Bendzko, einem Newcomer, ein sympathischer Junge-von-Nebenan-Struwwelkopf-Kumpel-Typ. Bendzko hat gerade Stefan Raab's "Bundesvision Song Contest" gewonnen. Also megaerfolgreich. "Muss nur noch kurz die Welt retten.." Ein Songtext, der hängebleibt. "Ich muss nur noch schnell..." Kennen Sie diese Worte. Von sich oder anderen. Muss nur noch mal schnell, telefonieren, einkaufen, was gucken, das hier fertigmachen, zur Tanke, ins Büro, was ausprobieren, mit xy was klären, ... Eigentlich möchte ich was anderes tun, aber ich muss nur noch mal schnell. Vertrackt dabei ist das Wörtchen "muss". Wer ist es, der mich dazu zwingt? Denn eigentlich will ich ja etwas anderes. TIm Bendzko will eigentlich bei seiner Freundin oder seinem Freund sein. Eigentlich ist die Beziehung wichtiger, aber er muss noch kurz... Und aus dem was "kurz" noch gemacht werden soll, wird oft etwas, dass dann viel länger dauert. Und das Eigentliche bleibt auf der Strecke.

Das ist das Eine, was mir bei dem Lied von Bendzko einfällt. Aber da ist noch mehr. Das Lied ist so leicht, so unbeschwert. Vielleicht liegt es an der Spannung von dem "was er noch kurz mal tun muss" und der Schwere, die er sich vornimmt, nämlich "die Welt zu retten". Und schwere Probleme haben wir zur Zeit nun wirklich genug. Angefangen von der nicht endenden Bankenkrise und dem drohenden Shutdown der Weltwirtschaft, den drohenden Kollapsen von Euro Wirtschaften und die japanische Reaktorkatastrophe ist zwar aus den Nachrichten, aber nicht aus der Welt. Und möglicherweise gibt es ja auch im persönlichen Leben "schwere Probleme", die nicht einfach zu lösen sind. Und da ist es ermutigend, wenn so ein junger Kerl daher kommt und sagt: Das muss ich noch mal schnell machen, dann ist der dunkle Schatten aber auch weg und das Leben hat wieder den Raum, den es braucht. Insofern ist dieses Lied auch eine Botschaft, die sich der Resignation verweigert, die schweren Probleme nicht leugnet, aber leicht nimmt und lösen will. Ganz ähnlich geht es mir mit der Zeile mit den Mails: "noch 148 Mails checken". Auf der einen Seite ein Aufstöhnen über die tatsächliche Flut von elektronischer Post, die auf meinen PC einströmt, die "gecheckt" werden will und mich abhält von anderen wichtigen Dingen, auf der anderen Seite das "na, und", schnell gecheckt und fertig und dann bin ich frei für anders.

Ist mit "mal die Welt retten" die Vorstufe zum Burnout gedacht, oder das Lebensgefühl der "Facebook-Generation", schnelllebig den Ort zu wechseln, Beziehungen zu virtualisieren.

Bendzko spitzt das Lied ironisch zu. Am Ende sind es 148713 Mails und als Erklärung seiner Abwesenheit sagt er: "„Die Zeit läuft mir davon, zu warten wäre eine Schande für die ganze Weltbevölkerung. Ich muss jetzt los, sonst gibt’s die große Katastrophe, merkst du nicht, dass wir in Not sind." Der Gedanke, dass ich ersetzbar bin und auch andere meine Arbeit machen können und dass die Arbeit auch bis morgen warten kann, ist nicht leicht auszuhalten. Eine Bloggerin im Web zu dem Lied: " Wir sind alle wichtig, sicherlich, aber ab und zu sollten wir uns fragen: WARUM und vor allem WEM? Und dann Prioritäten setzen…"

Im Video setzt Bendzko noch einen drauf, denn im Film ist er alles andere als damit beschäftigt, die Welt zu retten, vielmehr fährt er mit einem Oldtimerschlitten ins Blaue, ans Meer, etc und genießt das Leben. Also ist alles nur eine Ausrede, um sich vor Verantwortung zu drücken und Bindungen zu scheuen?

Hören Sie sich das Lied einmal an! Schauen Sie das Video! Wie geht es Ihnen m it diesem Lied?

Ich möchte mir gerne die Leichtigkeit mitnehmen, trotz drohender Katastrophen und drängender Probleme, der Freude am Leben Raum zu geben.

Diese Leichtigkeit wünsche ich Ihnen für die Probleme in der Schule, in der Kirche. Lassen sie uns mal "kurz die Welt retten"!

Liebe Grüße,
Uwe Martini, Direktor des RPI

Das Video: http://www.youtube.com/watch?v=4BAKb2p450Q&feature=player_embedded

Dienstag, 13. September 2011

Die Zeichen der Zeit

Unser Sohn ist jetzt ein halbes Jahr in der Schule. Er lernt lesen. Aber das beschreibt es eigentlich nur unzulänglich. Wie wunderbar ist es, beobachten und begleiten zu können, wie in Kind beginnt Buchstaben zu stammeln, dann ungelenk und ohne zunächst zu verstehen Wörter aus scheinbar unzusammenhängenden Buchstaben artikuliert und dann plötzlich entdeckt, dass ein Sinn in diesen Zeichen steckt und das, was da geschrieben steht, etwas bedeutet. Wörter bilden Sinn ab. Als Jasser im Kindergarten war, hat er auch schon gerne "geschrieben". Er füllte manchmal Seite um Seite mit exotisch aussehenden hieroglyphenähnlichen Zeichen. "Schau mal Papa, ich kann schreien!" Ebenso konnte er lesen. Er nahm ein Buch und las alles Mögliche aus seiner Phantasie vor. "Sieh mal, ich kann lesen!" Jetzt ist er wirklich dabei, den Sinn der hinter den Zeichen liegt, zu verstehen. Er entdeckt eine neue Welt.

Das ist jetzt nicht für den kleinen Weltentdecker, sondern auch für die Eltern eine
wunderbare Zeit. Manchmal fürchte ich, dass uns diese wunderbaren Zeiten verloren gehen, weil sich die berechtigten oder unberechtigten Sorgen des Alltages, der Ärger und Frust oder auch die Routine darüberlegen und wir das jeweils Wunderbare unser gegenwärtigen Zeit nicht mehr entdecken können. Ich vermute fast, dass jede Zeit ihr eigenes Wunderbare hat und wir uns dafür nur nicht verschließen dürfen. Schauen Sie doch mal in Ihrer gegenwärtigen Zeit. Und finden Sie das Wunderbare. Unsere Zeit steht in Gottes Hand. Sie steht. Der Augenblick - jetzt - steht in Gottes Hand.

Dort findet all unsere Zeit ihren halt. So ist Zeit wirklich immer auch eine qualifizierte Zeit. Wie kostbar und wie wertvoll. In der Kostbarkeit unserer Augenblicke entdecken wir eine neue Welt - und den Sinn, der hinter so vielen Zeichen liegt.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Die "richtige Geschichte von Emmaus"

Im Unterricht einer dritten Klasse erzählt die Lehrerin die Emmaus-Geschichte. Als Sie an der Stelle angekommen ist, an der zu den beiden resignierten Jüngern der Fremde hinzutritt, bricht sie die Erzählung ab. Die Kinder sollen nun die Geschichte so weitererzählen, wie sie sich den Fortgang der Handlung vorstellen können. Anschließend versammelt sich die Klasse im Sitzkreis. Amelia trägt ihre Version der Geschichte vor. Sie wußte wohl noch etwas von der Ostergeschichte und vermischt gekonnt die Ostermorgengeschichte der drei Frauen mit der Emmaustradition. Dann sagt die Lehrerin mit Blick auf die Uhr: "Leider können wir nun Eure anderen Geschichten nicht mehr hören, denn ich will auf jeden Fall euch noch die richtige Geschichte erzählen. "Nein, es geht mir nicht darum, was in dieser Stunde alles falsch gelaufen ist.

Vielmehr hat sich bei mir dieses Wort "richtig" festgesetzt und auf dem Nachhauseweg von diesem Unterrichtsbesuch hing ich meinen Gedanken nach. Es gibt hier in der Tat eine "richtige" Version. Denn wenn die Emmausgeschichte anders verlaufen wäre, würden wir heute in einer anderen, hoffnungslosen und zerrütteten Welt leben. In der Tat hätte man sich viele andere Handlungsalternativen vorstellen können. Der Fremde hört die Klage der Jünger und sagt: "Ach, das Leben geht weiter. Auch mir ist schon viel Unglück geschehen". Oder: "Oje, ihr habt Schlimmes durchgemacht, ich kenne da jemanden, der euch helfen kann. Die Behandlung ist auch gar nict so teuer." Oder: "Ich habe es immer gesagt, die Römer sind unser Unglück. Schließt euch unserem Widerstand an". Wieso lief die Geschichte so wie sie lief. Was machte sie zu dieser "richtigen" Version?

Zuerst dachte ich: Weil der Fremde das Brot brach. Dadurch erkannten die Jünger ihren Meister wieder. Also ist es Jesus, der von sich den Schritt auf uns Menschen zu geht und damit Hoffnung spendet. Dann dachte ich: Nein, es war vorher schon. Wenn die Jünger den Fremden nicht geradezu gedrängt häten, einzukehren (Bleibe bei uns...), dann wäre es zu der Essenszene gar nicht gekommen. Also ist es das Insistieren der Menschen auf einen alternativen, einen gelingenden Verlauf ihrer Lebensgeschichte, aus der Hoffnung erwächst. Dann dachte ich: Nein, es muss einen Grund gegeben haben, dass die Jünger so insistiert haben. Der liegt in dem Gespräch auf dem Weg. Und in diesem Gespräch legte der Fremde den Jüngern die profetischen Texte aus, so dass diese später sagten: "Brannte nicht unser Herz...". Ja, das ist es. Der Versuch, anhand der biblischen Traditionen unsere Gegenwart zu verstehen, schafft immer wieder neue Blickrichtungen auf unser Leben, schafft Hoffnung auf ein anderes und besseres Leben, eine Alternativversion, die unter Gottes Führung steht.

Die biblischen Traditionen mit Kindern und Jugendlichen so zu deuten, dass die Herzen zu brennen beginnen, das ist unser Geschäft als Unterrichtende im Fach Religion. Dass dies gelingen möge, wünsche ich Ihnen von Herzen. Dass dies gelingen möge, dafür arbeiten wir - das gesamte Team - im Religionspädagogischen Studienzentrum in Schönberg.

Auch diese junge Lehrerin, von der ich anfangs erzählte, hat etwas erreicht. Denn am Schluß der Stunde, als sie mit ihrer "richtigen" Version an die Stelle des Brotbrechens kam, deckte Sie ein in der Mitte des Kreises liegendes Tuch auf. Darunter lag ein Fladenbrot. Sie nahm es, das Brot wurde geteilt. Und auch wenn Björn lauthals tönte: " O Wahnsinn: Türkisch Döner!" , so spüren die Kinder doch etwas davon , dass mit dem Teilen des Brotes eine neue Geschichte für die Jünger aus Emmaus begann und diese Geschichte etwas mit Jesus zu tun hat, der nicht im Tode blieb und sie selbst auch heute von diesem Brot essen können.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Ein Engel passt auf


Letzte Woche kam unser Sohn Jasser und hatte ein selbstgemaltes Bild in der Hand. "Ich habe unsere Familie gemalt und einen Engel oben, der alle beschützt". Selbstverständlich war ich väterlicherseits sehr gerührt. Der Hund war auch mit dabei, Sonne und Wolken lächeln und dass ich plötzlich einen Schnurrbart habe, wurde in der Würdigung geflissentlich übersehen. Was hat Jasser zu diesem Bild bewegt, fragte ich mich. Wie kommt ein Junge dazu, am Samstag morgen in der Zeit zwischen dem Aufwachen und dem (etwas späteren) Familienfrühstück ein solches Bild zu malen? Da fiel mir ein, dass er in den letzten Wochen öfters nach Streit zwischen den Eltern fragte. Wenn ich oder meine Frau mal einander eine etwas genervte Antwort gaben, wurde er sofort hellhörig: "Was ist denn los?" Der Hintergrund: Zum zweiten Mal hatte er es erlebt, dass ein gleichaltriges Mädchen aus Kindergarten später Schule die Trennung der Eltern erlebt. "Muß Noemi jetzt ins Kinderheim?", fragte er. Er erlebt dies als eine bedrohliche Situation. Und er malt einen Engel, der alle beschützt.

Dieses Bild ist mir wieder eingefallen, als ich eine Religionspädagogische AG zum Thema "Gottesbilder - Gottesbeziehungen" vorbereitete. Unsere Gottesbeziehungen und Gottesbilder sind abhängig von unserer biographischen Entwicklung und unserer jeweiligen aktuellen Lebenssiutation. Ich denke nicht mehr an einen Engel, der oben schwebt und alle beschützt, aber bedrohliche Situationen kenne ich auch, aus denen heraus ich nach Gott frage. In der AG haben wir darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass die Gottesbilder der Kindheit sich verändern. Und dass dies Trauerprozesse sind, weil es um Abschiede geht. Ich muss mich von dem alten Mann Gottvater und den schwebenden Engel verabschieden, von Bildern die mir Sicherheit gaben.

Aber nur so finde ich neue tragfähige Bilder von Gott, die dann in Bedrohungen wirklich helfen können. Was, wenn mir nur der fliegende Engel geblieben wäre? Die Rolle des Religionsunterrichtes in der Neufindung von Gottesbildern ist nicht zu überschätzen.

Aber dann kam mir noch eine andere Begebenheit in den Sinn. Ein Kollege, mit dem ich seit langem freundschaftlich verbunden bin, erzählte mir von seiner Erfahrung im Studienurlaub. Er hatte eine Auszeit genommen, um eine Zeit für sich zu haben und zu meditieren. Sein Resumée war überraschend und auch erschreckend. "In der Gottesbeziehung finde ich immer wieder mich selbst und meine ganz eigene Disposition, Beziehungen zu gestalten", sagte er. Ich fand dies einen beunruhigenden Gedanken. Wenn ich von mir weiß, dass ich in Beziehungen immer der Ausgleichende bin und Harmonien suche, was heißt das für meine Gottesbeziehung?

Wenn ich in Beziehungen immer in eine Opferrolle mich hineinbegebe, was heißt dies für meine Gottesbeziehung? Wenn ich in Beziehungen offensiv das Meine suche und auf mich ausgerichtet bin, was heißt das für meine Gottesbeziehung? Wenn ich Menschen (und Partnern) gegenüber immer (vergebens) darauf warte, angesprochen zu werden, warte ich dann auch vergebens auf Gottes Zuspruch? Mich beunruhigen diese Gedanken und ich habe Sie noch nicht zu Ende gedacht. Es lohnt sich auch verschiedenen biblische Erzählungen einmal unter dieser Fragestellung zu lesen. Ich vermute, es sind Geschichten zu finden, in denen Gott die Menschen anspricht und sie verändert. Zum Beispiel Mose, den schüchternen, redeungewandten Schafhirten macht er zum Sprecher und Anführer eines Volkes. Er tat dies gegen den Widerstand des Mose.

Wo spricht Gott mich an? Womöglich in meinen Widerständen. Wenn ich diese überwinde, kann ich mich verändern. Das Gute an unserem Gott ist, dass er nicht nur in Veränderungsprozesse hineinruft, sondern dass er dann wenn man sich auf den Weg gemacht hat, seine Widerstände zu überwinden, dabei bleibt, begleitet, unterstützt, tröstet, ermutigt, da ist.

Er ist da. Er bleibt da. Er ist präsent. Er bleibt anwesend. So wie der Engel im Bild meines Sohnes, der über der Familie schwebt. Die Möglichkeit zu haben, die Gegenwart Gottes im eigenen leben in Bildern oder Symbolen auszudrücken, Worte zu finden, von dieser Gegenwart Gottes zu reden, dazu ist Religionsunterricht an unseren Schulen da und Kindern und Jugendlichen diese Möglichkeiten zu eröffnen, dazu sind wir da, die wir an unseren Schulen dieses Fach unterrichten.

Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Erschütterbar sein und widerständig.


Die Kunstgeschichte hat den Bildtypus des trauernden und sitzenden, durch die Merkmale seiner Passion charakterisierten Erlösers mit dem Begriff des "Christus im Elend" belegt. Sie wird auch „Christus in der Rast“ genannt. Es handelt sich um ein en sitzenden Heiland mit einer Hand an der Wange als Geste der Klage. Dieser Typus wird auch Herrgottsruhbild genannt, ein seit dem 14. Jh. bekannte Darstellung des sitzenden Heilands mit Dornenkrone und Geißelwunden, aber ohne die Wunden der Kreuzesnägel und des Lanzenstichs.

Das häufig vollplastisch ausgeführte Passionsmotiv gibt die Szene unmittelbar nach der Dornenkrönung und der Verspottung Christi wieder. Es sind zwei Versionen des Sujets überliefert. Bei der einen hält der häufig in einen Purpurmantel gehüllte und mit der Dornenkrone gekrönte, sitzend dargestellte Christus eine Geißel oder das Spottzepter in den gefesselten Händen. Beim zweiten Typus stützt Jesus einen Ellbogen an den Schenkeln auf und hält das Kinn bzw. eine Wange mit einer Hand, eine alte Geste der Klage. Diese Art der Gestaltung heißt im Volksmund auch "Zahnwehherrgott".

Bereits Johannes Molanus wies in seiner 1570 in Löwen veröffentlichten Schrift mit dem Titel "De historia Imaginum et Pictuarum" auf die Häufigkeit von Darstellungen des auf einem Stein isoliert sitzenden Christus in Kirchen hin. Der Autor machte ferner auf den Umstand aufmerksam, dass diese Skulpturen sich nicht auf eine bestimmbare Passage der Bibel bezögen, indem er ausführte: "Das Bild des auf einem Stein sitzenden Christus… das häufig in Kirchen anzutreffen ist, besitzt keinen Beleg in der Heiligen Schrift".

Mit der neuzeitlichen Wortschöpfung des "Andachtsbildes" wird das Bildthema umschrieben, dem Betrachtenden die Möglichkeit zu einer kontemplativen Versenkung in den Bildgegenstand zu geben. Mustergültig scheint diese Bildfunktion folgende Passage des von Jörg Wickram 1555 verfassten "Rollwagenbüchleins" zu illustrieren. Von einem Wanderer, der an einem am Wegesrand befindlichen Kruzifix vorbeikommt heißt es hier: "stuond also ein wenig still, den herrgott anzuoschauwen, sein ellend und verlust zuo betrachten". Der Bildtypus des "Elendschristus" , der sich punktuell im ausgehenden 14. Jahrhundert nachweisen lässt und im Laufe des 15. Jahrhunderts große geografische Verbreitung findet, die sich von Burgund bis nach Polen erstreckt, steht ohne Zweifel in Zusammenhang zu epochentypischen Gebets- und Andachtsformen. Es handelt sich um eine verinnerlichte, insbesondere für den Laienstand bestimmte Frömmigkeit, eine gefühlsbetonte Teilhabe am Leiden Christi.

Nikolaus von Kues (1401-1464) verkündet in dieser Zeit das Prinzip der "docta ignorantia", der gelehrten Unkenntnis, die gegenüber dem berufsmäßigen Theologen dem Laien einen priviligierten Status in seiner unmittelbaren und stark gefühlsgetragenen Anteilnahme am Heilsgeschehen einräumt. Ziel der Gebets- und Meditationsübungen ist die "imitatio Christi", die Nachfolge Christi, die sich in erster Linie durch das Mitleiden seiner Leidensgeschichte, der so genannten "compassio" vollziehe.

Diese Skulptur hier stammt aus Krakau. Der „Christus in der Rast“ ist ein häufiges Motiv der polnischen Volkskultur. Mich hat diese Skulptur sehr angesprochen. Ich würde sie nicht „Christus im Elend“ nennen. Sie verkörpert für mich vielmehr Melancholie etwas Traurigkeit. Nachdenken. Welchen Titel würden Sie dieser Figur geben?

Rasten,
um wach zu bleiben,
hellwach für alles,
was so geschieht.

Erschütterbar sein
und widerständig.

Das ist für mich die Botschaft dieser Christus Figur.

Für mich ganz persönlich ist dies eine Erfahrung, die ich aus dem Prozess um die Schließung des RPZs für mich selbst gemacht habe und die mir geschenkt wurde.

Für Sie mag es eine Botschaft sein, die Ihnen möglicherweise in anderen Bedrängnissen Mut und Hoffnung gibt.

Uwe Martini, 2.8.11 (Andacht am letzten "Schönberger Tag")

Es macht einen Unterschied

Was war das für ein seltsamer Gottesdienst! Vielleicht lag es an der Tatsache, dass seit langem gerade an diesem Sonntagmorgen sich wieder einmal die Sonne zeigte, dass kaum Teilnehmer aus der Kerngemeinde sich versammelten. So waren wir fast unter uns mit den Konfirmanden und einer Tauffamilie. Diese fühlte sich deutlich fremd. Die Liturgie war ihnen fremd. Lieder wurden nicht mitgesungen, noch nicht einmal das Gesangbuch schlugen sie auf, um die Lieder mitzuverfolgen. Kein Glaubensbekenntnis und kein Vater Unser wurde mitgesprochen. Kennen und können sie es nicht mehr? Wollen sie nicht? Ist es einfach ungewohnt. Die Mutter war mit dem Täufling beschäftigt, der die ganze Zeit krähte und mit seinem Spielzeug auf die Kirchenbank schlug. Der Pate kaute Kaugummi und sah desinteressiert aus. Eine Verwandte sprach die ganze Zeit mit ihrer Nachbarin und amüsierte sich sehr über etwas, das ich nicht ausmachen konnte. Der Opa war damit beschäftigt pausenlos dem Täuflingbaby ein "duzi duzi" zuzurufen. Die Pfarrerin war freundlich und zugewandt - aber auch irritiert.

Warum ist diese Gesellschaft zur Taufe in einen Gottesdienst gekommen, wo sie doch in demselben deutlich demonstrieren, dass sie an diesem Geschehen nicht Anteil nehmen und auch nicht Anteil nehmen wollen. Soll so wirklich unser Kirche sein?´Dann sprach die Pfarrerin im Gebet den Satz: "... und deshalb vertrauen wir heute den kleinen Pascal Gott an ..." In meinem Kopf machte es plötzlich "Klick" und ich wußte mit einem Mal, dass das Leben dieses kleinen Kindes anders verlaufen würde, hätten seine Eltern ihn nicht in diesen Gottesdienst gebracht, so seltsam dieser Taufgottesdiendt auch war und so schräg die Atmosphäre sich gestaltete. Es macht einen Unterschied! Und dieser Unterschied wirkt und wirkt sich aus ...

Dann dachte ich an die vielen Stunden Religionsunterricht mit müden und
desinteressierten Schülern - sowohl an die Stunden, die ich selbst erteilte, als auch die, die ich als Studienleiter gesehen und von denen mir in Fortbildung, Beratung oder beim Bier erzählt wurde. Es gab ja auch viele gute Stunden, aber gerade diese schrägen und offensichtlich mißglückten Zeiten belasten einen ja weiterhin. Und so denke ich an diesen kleinen Täufling und denke, dass auch wenn manche Stunde RU mir quälend vorkam, das Desinteresse greifbar schien, und ich am liebsten die Sache hingeschmissen hätte: Ich habe den Kindern vom Evangelium erzählt, ich habe ihnen versucht den menschenfreundlichen Gott nahezubringen, wir haben gebetet, wir haben gesungen, wir haben in der Bibel gelesen und es macht einen Unterschied.

Es macht einen Unterschied, weil in all diesen Beziehungen immer ein kleiner Platz auch reserviert war für Gott und er somit handeln kann über unser Handeln hinweg. Das macht den Unterschied.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame Sommerzeit!
Liebe Grüße
Ihr
Uwe Martini

Unsere Zeit...

Die Ferienzeit geht zu Ende. Ein neues Schuljahr steht vor der Tür. Was wird es bringen?

Gehen Sie mit freudigen Erwartungen in diese neue Zeit hinein, oder ist die Aussicht eher eine Belastung? "Meine Zeit steht in deinen Händen .." so beginnt ein Lied, das in den letzten Jahren in unserer Gemeinde besonders bei unseren KonfirmandInnen hoch im Kurs stand. Das liegt sicherlich an der eingängigen und balladenhaften Melodie, aber auch an dem was dieses Lied sagt: "Meine Zeit steht in deinen Händen, nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibts Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein starkes Herz, mach es fest in dir".

Das ist ein faszinierendes Lied. In dem Lied "steht" die Zeit. Unsere Zeit fließt, manchmal schnell, manchmal langsam, aber sie fließt und entgleitet uns damit stetig. In Gottes Hand aber steht sie. Nichts von meiner Lebenszeit geht verloren. In Gottes Hand werden bewahrt die süßen und die bitteren Momente meines Lebens. Die Zeit, in der ich glücklich bin und die Zeit, in der ich traurig bin. Meine Freuden und meine Lasten. All dies hat in Gottes Hand einen Wert. Er sortiert nicht aus. Es wird nicht gefiltert.

Jeder Moment hat seinen Wert, weil alles zusammen mein Leben ausmacht und weil all diese Zeit und Zeiten zusammen mein Leben und damit auch mich als Person ausmachen. Und dies hängt nicht irgendwo im luftleeren Raum oder über irgendeinem Abgrund, sondern steht in Gottes Hand.

Dieser Gedanke hilft mir, die Ferienzeit abzuschließen und in das neue Schuljahr hineinzugehen, und zwar sowohl mit freudiger Erwartung, als auch mit bangen Befürchtungen. All unsere Zeit steht in Gottes Hand. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit diesem Gedanken in das neue Schuljahr gehen können. Das Lied geht weiter: "Gib mir ein starkes Herz, mach es fest in dir!" Und Gott wird uns ein starkes Herz geben, er wird es fest machen, damit wir unsre Zeit bestehen.

Gute Wünsche für Sie
Ihr
Uwe Martini

Ein Lied

Bei Karl Dienst in "Religionspädagogik zwischen Schule und Kirche. Religionspädagogische Ursprungs- und Erschliessungssituationen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau" fand ich ein Lied.

Es steht in dem 1800 von Johann Wilhelm Recke (1764-1835) aus Lennep herausgegebenem Gesangbuch: „Christliche Gesänge zur Beförderung eines frommen Sinnes und Wandels und zum Gebrauch bei der öffentlichen und häuslichen Gottes-Verehrung. Elberfeld, Druck und Verlag von Sam. Lucas“. Das Gesangbuch wurde 1808 in Lennep eingeführt und war dort bis 1860 in Gebrauch.

Auf die Melodie „Herr Jesu Christ, mein‘s Lebens Licht“ wurde als Lied Nr. 385 gesungen:
„Das Amt der Lehrer, Gott, ist dein;
Dein soll auch Dank und Ehre sein,
Daß Du der Kirche, die du liebst,
Noch immer treue Lehrer gibst.
Gesegnet sei ihr Amt und Stand!
Sie pflanzen, Herr, von dir gesandt,
Von Jahr zu Jahr dein heilig Wort,
Und mit ihm Licht und Tugend fort.
Laß ihrer Fehler wegen nicht,
Verachtet sein ihr Unterricht!
Nimm, Gott, auch ihrer Schwachheit dann,
So wie der unsrigen dich an!
Der Frevel sei verbannt, o Gott,
zu kränken sie durch Haß und Spott!
Gib, daß ihr Herz von Seufzern frei,
Und fern von bangen Sorgen sei“.

Warum gibt es heute eigentlich keine Lieder für Lehrkräfte in unseren Lieder- und
Gesangbüchern?
Es grüßt Sie
herzlich
Uwe Martini

Lob des Schulmeisters

Aus einer der Predigten Luthers: "Dies sage ich in aller Kürze: Einen fleißigen, ehrbaren Schulmeister oder Magister, oder wer es ist, der Knaben treulich erzieht und lehrt, den kann man niemals genug belohnen und mit keinem Geld bezahlen. Dennoch wird’s bei uns so schändlich verachtet, als sei es gar nichts, und sie wollen dennoch Christen sein. Aber ich, wenn ich vorn Predigtamt und anderen Dingen lassen könnte oder müsste, so wollte ich kein Amt lieber haben, als Schulmeister oder Knabenlehrer zu sein. Denn ich weiß, dass dieser Beruf nächst dem Predigtamt der allernützlichste, wichtigste und beste ist. Ich weiß noch nicht einmal, welcher von beiden der bessere ist; denn es ist schwer, alte Hunde zahm und alte Bösewichte fromm zu machen, woran doch das Predigtamt arbeitet und viel vergeblich arbeiten muss. Aber die jungen Bäumchen kann man besser biegen und aufziehen, obgleich auch manche dabei zerbrechen. Lieber, lass es der höchsten Tugenden eine sein auf Erden, fremden Leuten ihre Kinder treulich zu erziehen, welches gar wenige und fast niemand tut mit seinen eigenen.“

Na, dem ist doch nichts hinzuzufügen.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen November - Freuen wir uns auf den Advent!

Es grüßt Sie
Uwe Martini

Mittwoch, 7. September 2011

Ein Beffchen erzählt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
manchmal können kleine Dinge Geschichten erzählen. Kleine Geschichten aus dem Alltag, die zum Schmunzeln oder Nachdenken anregen. Ein solches kleines Ding ist zum Beispiel das Beffchen. Wikipedia schreibt über das Beffchen: "Das Beffchen (auch Bäffchen, von lateinisch biffa „die Halsbinde“) ist ein seit dem 17. Jahrhundert am Halsausschnitt getragenes 10–15 cm langes rechteckiges weißes Leinenstück. Es ist ein Rest des früher unter dem sogenannten „Mühlsteinkragen“ getragenen kleineren Kragens. Ab 1680 gehörte eine Halsbinde mit zwei auf die Brust herunterhängenden, nur wenige Zentimeter breiten Leinenstreifen zur bürgerlichen Tracht der Männer, dem Jabot vergleichbar, und war keinesfalls Amtstracht des lutherischen Pfarrers im Gottesdienst. Erst im 19. Jahrhundert wurde durch die Anordnung König Friedrich Wilhelm III. das Beffchen mit schwarzem Talar zum liturgischen Kleidungsstück im evangelischen Gottesdienst. Bis heute hat sich das Beffchen in der Amtstracht der evangelischen Geistlichen erhalten. Hier ist es fester Bestandteil des Talars. Ebenso gehört es in den jüdischen Gemeinden zum Ornat von Kantor und Rabbiner. Es gibt Beffchen zum Zubinden und zum Anknöpfen; oft werden sie auch einfach nur in den Kragen des Talars gesteckt. Welches Beffchen der Pfarrer benutzt, bleibt ihm – im Rahmen der jeweiligen landeskirchlichen Kleiderordnungen – überlassen. Nach der Einführung der Frauenordination steht es den Pfarrerinnen in einigen Landeskirchen frei, ob sie ein Beffchen tragen wollen oder nicht. Entscheiden sie sich gegen das Tragen des Beffchens, tragen sie in der Regel einen über den Talar geschlagenen weißen Kragen."

Das Beffchen erzählt Geschichten über seinen Träger/Trägerin. Einmal gibt es ganz offiziell Auskunft über das Bekenntnis: Den "Geheimcode" protestantischer Amtstracht kennt nicht jeder. Das weiße Beffchen ist in einer reformierten, einer lutherischen oder unierten Kirche unterschiedlich geschnitten. Reformierte tragen das, wenn man so will, liturgische Accessoire geschlossen, lutherisch ist der Kragen von oben bis unten geteilt – und die unierte Tracht liegt genau dazwischen, zur Hälfte geschlossen, zur Hälfte getrennt. So ist an diesem kleinen Stückchen Stoff erkennbar, mit wem man es zu tun hat. Aber auch jenseits dieser Bekenntnisbotschaft sagt das Beffchen manches aus: Beffchen werden meist schmucklos, zum Teil aber auch aufwendig mit Hohlsaum oder Stickereien gestaltet und mit Symbolen verziert. Auf www.wasmer.de/beffchen.html findet man sogar Beffchen mit Keltenkreuzen, mit Jerusalemkreuz, mit Regenbogen, in violett mit Öllampe und ein Kindergottesdienstbeffchen. Ich habe auch schon Gottesdienste besucht, wo ein Beffchen am Kragen hing, das man mit Mitleid ansah und ihm mal wieder eine Behandlung mit einem Bügeleisen wünschte.

Am vergangenen Mittwoch feierten wir die Amtseinführung unserer Kollegin Kristina Augst in der Friedensgemeinde in Darmstadt als Studienleiterin des RPI. In der Sakristei bereiteten wir uns auf den Gottesdienst vor und ich merkte vor Schreck: Ich habe mein Beffchen zu Hause liegen gelassen. Da ich nicht mehr Gemeindepfarrer bin und den Talar nicht mehr so häufig brauche (meine Frau braucht einen Handgriff und alles Handwerkzeug ist verlässlich zur Stelle) muss ich den Talar immer aus einer besonderen Schutzhülle nehmen, mein Beffchen ist in meiner Gottesdienstmappe. Die habe ich nicht mitgenommen, da ich im Gottesdienst "nur" die Begrüßung und die Fürbitten zu halten hatte. Das war mein Fehler. AM Gottesdienst waren noch vier weitere ordinierte personen beteiligt, alle im Talar MIT Beffchen. Das sieht nicht gut aus!, dachte ich mir., Was tun? Zum Glück hatte der Kollege Kloß, Leiter des Kirchlichen Schulamtes ein Ersatzbeffchen in der Tasche. Das passte. Nun mag man sagen, stilisiere es nicht zum Symbol, aber warum denn nicht: Die Arbeit des RPI ist gerade in den Regionen auf eine gute Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kirchlichen Schulamt angewiesen. Die Beffchen-Amtshilfe vollzieht diese Zusammenarbeit quasi im liturgisch-symbolischen Rahmen.

Es gibt wahrscheinlich eine Menge solcher "Vergessener-und-Verlorener-Beffchen-Geschichten". Eine Kollegin erzählte von einem Beffchen, das in einer Handtasche auf einem "weit-weg-von-der-Kirche" Parkplatz liegen geblieben war, als der Gottesdienst begann. Sie und ihre Kollegin behalfen sich damit, da zum Glück die beiden niemals gleichzeitig als Liturginnen auftraten, sie jeweils beim Zurückkehren in die Kirchenbank, das Beffchen von einem Talar ab und an den anderen Angeknüpft wurde, sodass das Beffchen den gesamten Gottesdienst mit unterschiedlichen Trägerinnen im Einsatz war.
Mir selbst ist es ebenfalls einmal passiert, dass bei einem Karfreitagsgottesdienst mit meiner Frau, einer von uns beiden das Beffchen nicht parat hatte - ich kann mich nicht mehr erinnern, wessen Beffchen fehle. Wir entschieden uns dafür, dass beide ohne Beffchen den Gottesdienst hielten, da ja auch der Altar schmucklos da stand und taten so, als sei dies am Karfreitag übliche liturgische Gepflogenheit.

Mir geht es so, dass ich im Lauschen auf manch kleine Geschichte oft Großes verstehe. Dabei sind diese kleinen Geschichten meist leise und unscheinbar. Aber es lohnt sich, für die kleinen Geschichten unseres Lebens aufmerksam zu werden, und zu lernen sie zu erzählen - auch im Unterricht.

Eine gute Zeit
wünscht Ihnen


Uwe Martini, Direktor des RPI

Samstag, 20. August 2011

Keine Mittelwerte!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es gibt etwas, was mich zur Zeit so richtig annervt. Und zwar, wenn die Metereologen oder Wetterfrösche mir erzählen wollen, dass der Sommer eigentlich statistisch "gar nicht so schlecht war", dass es eigentlich im Vergleich zu früheren Jahren gar nicht so wenig Sonnenstunden gegeben hat. So schreibt ein Online Wetterdienst bspw.:"Wenn es weniger Sonne als „im Mittel“ gab – ist das dann ein „unnormaler“ Sommer? Ein Sommer, wie es ihn früher nie gab? Das Wort „Mittelwert“ sagt es eigentlich schon: Es ist die Mitte der Werte, es muss also sonnigere und weniger sonnige Sommer gegeben haben!"

Das ist reine Schönrederei, denn das Problem dabei ist: Der Sommer warm einfach Mist. Es gab definitiv kaum Sommertage. Auf dem neuen Freisitz haben wir ein Mal (1x) gegrillt, unser Sohn war zweimal (2x) im Pool. Von der ganzen Blütenpracht, die meine Frau mit großer Mühe gepflanzt, gepflegt, gegossen, gezupft, gedüngt usw hat, hatten wir kaum was. Aber, so sagt man uns: Vom Mittelwert der vergangenen Sommer her gesehen, war das alles ganz ok und liegt im akzeptablen Rahmen.

Mir fällt der uruguayanische Schriftsteller und Journalist Eduardo Galeano ein. Der hat es nicht mit dem Sommer, sondern mit der Ungerechtigkeit. Und auch ihn nerven da die Mittelwerte. Er schreibt: "Wenn eine Person 1000 Dollar verdient und eine andere gar nichts, dann erscheint vom Standpunkt der Statistik aus jede dieser beiden Personen mit einem Einkommen von 500 Dollar in der Berechnung des Pro Kopf Einkommens."

Unser Leben funktioniert nicht entlang des Mittelwertes. Im Leben gibt es Freude und Trauer, Lachen und Weinen, Feiern, Fröhlichkeit und Verzweiflung und Trauer. Und das ist gut so! Mittelwerte fühlen wir nicht. Mittelwerte helfen nicht. Mittelwerte sind tödlich für jede Leidenschaft.
Und Leidenschaften treiben unser Leben voran. Wenn Jesus sagt, dass die Rede Menschen "ja,ja" oder "nein,nein" sein möge; wenn er uns das Salz der Erde nennt; wenn er vom kommende Gottesreich redet, so sind dies leidenschaftliche Visionen, die ein Leben füllen können und die nicht in Mittelwerten verrechenbar sind. Und das macht unser Leben reich und lebenswert.

Wir brauchen solche leidenschaftlichen Visionen auch in unserer Arbeit - in der Schule und in der Kirche.

Nein, ich möchte nichts hören von Mittelwerten. Der Sommer war Mist und fertig. Das ist der Preis für ein Leben ohne Mittelwerte. Freuen wir uns auf einen schönen Herbst.

Uwe Martini, Direktor des RPI

Samstag, 11. Juni 2011

Geburtstag, Pferd, Lernkontrolle und die Eltern

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Anfangsritual in einem dritten Schuljahr in einer hessischen Grundschule. Nach dem Lied: "Der Himmel geht über allen auf" gibt der Vikar einen Stein und eine Feder in dem Sitzkreis herum. Jedes Kind hat die Möglichkeit etwas Schweres oder Leichtes zu sagen und vor Gott zu bringen. Es mag an der Prüfungssituation gelegen haben, dass aber auch wirklich jedes Kind etwas sagte. Aber was die Kinder da sagten, lohnt es hinzuhören. "Ich möchte Gott danken, dass mein Vater eine neu Arbeit hat", sagte Sven. "Dass ich zu Jakob auf den Geburtstag darf," sagte ein anderer. "Dass ich eine 2 in der Lernkontrolle habe", "dass meine Schwester mit mir Lego-Fußball am Computer gespielt hat", " dass ich auf dem Pferd von der Carmen reiten darf, denn die hat einen blauen Fleck am Knie". Ich finde es nicht so gut, dass ich "zu Jakobs Geburtstag zu spät komme". "Hoffentlich verletze ich mich nicht beim Turnier am Wochenende", "ich wünsche mir, dass die Katha mit ihrer Mannschaft gewinnt". Und: "dass Mama und Papa sich wieder lieb haben".
6,5 Minuten in einer dritten Klasse. War das nun eine Gebetsgemeinschaft. Einige Schülerinnen redeten Gott direkt an, andere erzählten, was sie Gott gerne mitteilen möchten, andere teilten schlicht ihre Wünsche oder Nöte mit. 6,5 Minuten, in denen sich das ganze Leben dieser jungen Menschen offenbarte. Oder besser gesagt, in denen diese Kinder sich offenbarten. Mit einer Feder und einem Stein. Und wenn Sie jetzt Feder und Stein in der Hand hielten?

6,5 Minuten in denen scheinbar Banales und Schwerwiegendes gleichwertig nebeneinanderstanden. Was mag es dem Jungen bedeutet haben, dass seine Schwester (endlich einmal) mit ihm Lego-Fußball am PC spielte? Oder das Mädchen, das (endlich) auf das Pferd durfte, weil die Freundin offensichtlich ausfiel. Lose Ende vieler Lebensgeschichten in 6.5 Minuten.

Und dann beginnt der Unterricht. Und dann?
In dieser Stunde ging es um den Verlorenen Sohn. In der Woche davor war ich in zwei anderen Religionsunterrichtsstunden (jeweils Prüfer privilegiert unterwegs). Und in jeder Stunde fand ein ähnliches und/oder vergleichbares Anfangsritual statt. Das alleine ist schon bemerkenswert. Mit großer Unbefangenheit räumen unsere jungen Kolleginnen und Kollegen im Religionsunterricht Raum und Zeit für Gebete frei. Ihre Unbeschwertheit mit der sie dies tun ist liebenswert, wenn auch nicht ganz unproblematisch. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Die Kinder kennen ihre Rituale, mögen sie und schätzen sie. Und nutzen sie. In den anderen beiden Stunden, die ich sehen durfte, ging es dann weiter mit David und Goliath, bzw. mit den Psalmen. Wenn es uns gelingt, die Themen des Religionsunterrichtes, egal ob "Verlorener Sohn", "David" oder "Psalmen" zu verknüpfen mit den Lebensgeschichten, die sich in der neuen Arbeit des Vaters, dem Reiten auf dem Pferd und dem Computerspiel, dem Geburtstagsbesuch und dem sportlichen Wettbewerb und der Versöhnung zwischen Vater und Mutter zeigen, dann bedarf es nicht des Etikettes "Kompetenzorientierung". Dann gelingt der Religionsunterricht, weil er das Evangelium im Leben der Kinder zum Leuchten bringt.

Samstag, 5. Februar 2011

Weltanschauungs­unterricht an öffentlichen Schulen

4. Februar 2011 |

Es besteht kein Anspruch auf Einführung von Weltanschauungs­unterricht an öffentlichen Schulen. Mit dieser Begründung hat jetzt das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage des Humanistischen Verbandes Nordrhein-Westfalen, Körperschaft des Öffentlichen Rechts in Dortmund, gegen das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung auf Einführung von Weltanschauungsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen abgelehnt.

Aus der Glaubens-, Gewissens- und weltanschaulichen Bekenntnisfreiheit gemäß Artikel 4 Abs. 1 GG könne der Anspruch nicht hergeleitet werden, befand das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Dieses Grundrecht schütze innere Überzeugungen und deren Äußerung. Das Recht des Klägers auf seine innere Überzeugung und die Kundgabe seiner Weltanschauung stehe jedoch nicht im Streit. Ihm komme es vielmehr darauf an, ein bestimmtes Forum – die Schule – für eine Kundgabe seiner Überzeugung zu erhalten. Ein bestimmtes Forum für das Bekenntnis einer inneren Überzeugung gewährleiste Artikel 4 Abs. 1 GG indes nicht. Auch könne der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht aus Artikel 4 Abs. 2 GG ableiten, der zwar die Ausübung der Religion in Gestalt liturgischer und ähnlicher Abläufe gewährleiste, nicht aber die Einrichtung eines bestimmten und einflussversprechenden Forums im Fächerkanon öffentlicher Schulen.

Schließlich ergebe sich der Anspruch auch nicht aus Artikel 7 Abs. 3 GG, wonach Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach sei. Denn Kooperationspartner des Staates im Sinne des Artikel 7 Abs. 3 GG könne nur eine Religionsgemeinschaft, nicht hingegen eine wie hier vom Kläger repräsentierte Weltanschauungsgemeinschaft sein. Das Grundgesetz privilegiere insoweit Religionsgemeinschaften und grenze demgegenüber Weltanschauungsgemeinschaften als Einflussfaktor im Bereich öffentlicher Schulen aus.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 2. Februar 2011 – 18 K 5288/07

Quelle: Rechtslupe

Donnerstag, 6. Januar 2011

Das Pinguin Prinzip

Dieses Video steht für mein Konzept von Bldung und Erziehung. Was für eine Schule brauchen wir dafür?
http://www.youtube.com/watch?v=Az7lJfNiSAs

Zum neuen Jahr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem". So die Jahreslosung für 2011. Viele Konfis unserer Gemeinde wählen sich diesen Vers als Konfirmationsspruch. Er scheint besonders Jugendliche zu faszinieren. Das Böse überwinden mit Gutem. Super Sache! Das Böse überwinden. Vielleicht eine Nummer zu groß? Vielleicht aber auch nicht!

In den letzten Wochen wurde intensiv die Affäre "Wiki Leaks" diskutiert. Es geht mir dabei heute gar nicht um die Rechtmäßigkeit dieser Aktion oder die Frage nach Privatsphäre und Datenschutz. Im Rahmen dieser Debatte stieß ich vielmehr auf andere, kleinere "Geheimnisverräter", die nicht so berühmt wurden, wie Assange. Es sind Menschen die versuchten, etwas Gutes zu tun, in dem Sie Informationen preisgaben. Da war zum Beispiel der LKW Fahrer, der vor zig Jahren es nicht mehr aushalten wollte, wissentlich mit falschen Frachtpapieren durch die Gegend zu fahren und Fleisch zu liefern, dessen Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen war. Er brachte den sogenannten Gammellfleisch-Skandal ins Rollen. Er war mutig mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit gegangen - gegen seinen Arbeitsgeber. Heute ist er arbeitslos und lebt von der Stütze. Das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber war zerrüttet. Er wurde entlassen. In Deutschland gibt es kein Gesetz, dass eine solche Person schützt. Er war ein Held. Für kurze Zeit und zu Recht. Sein Gewissen war stärker als seine individuellen Ängste und Interessen. Und das Leben hat ihn dafür bestraft. Die Öffentlichkeit hat ihn mittlerweile vergessen. Oder die Krankenschwester, die in einem Altersheim arbeitete und die dort unmenschlichen und unwürdigen Verhältnisse anprangerte. Auch sie ist heute ohne Arbeit und mehr als das: "So jemanden" stellt niemand mehr ein. Sie hat eine Familie zu ernähren.

Ja, in was für einer Welt leben wir denn. Ich sah diese Fälle in einem Politmagazin im Fersehen (an den Namen der Sendung erinnere ich mich nicht mehr). Es wurden noch mehrere andere Personen in ähnlichen vergleichbaren Situationen genannt. Ich war empört. Solche Menschen müssen doch unterstützt werden und ihnen muss geholfen werden. Ein solches Verhalten muss doch gefördert werden in einem demokratischen System. Wenn einer das Gemeinwohl höher stellt als seine eigenen Interessen und gegen diejenigen angeht, die das Gemeinwohl ihrerseits mit Füßen treten zugunsten ihres eigennützigen Profites. Wo kommt unsere Gesellschaft den hin ohne solche Menschen, ohne solche Zivilcourage? Wie kann es denn sein, dass solch ein Verhalten auch noch bestraft wird?

Dann sprach darüber ich mit einem Freund, von Beruf Staatsanwalt. Der zeigte sich ob meiner Empörung reichlich unbeeindruckt. Nun, so sei es eben. So sind die Gesetze und man kann von einem Arbeitgeber nicht verlangen, jemanden weiter zu beschäftigen, der sich offen gegen ihn gestellt hat und das Vertrauensverhältnis gebrochen hat - sei es auch in einem übergeordneten Interesse und auch wenn dieser Arbeitgeber eigentlich ein echter Schweinehund ist. "Nun", entgegnete ich, "hier will jemand Böses überwinden und Gutes tun." "Ja", sagt er, "dass sagst du, weil du Pfarrer bist. Und moralisch gesehen ist dies richtig. Aber sonst..." . "Ok", entgegnete ich, "bei WikiLeaks sehe ich es noch ein. Da geht es um die echt großen Dinge der Politik. Aber bei einem LKW Fahrer und bei einer Krankenschwester. Da müsste es doch andere gesetzliche Möglichkeiten geben, Menschen zu ermöglichen, Missstände aufzudecken." "Ei, was du hast ja keine Ahnung", sagte mein Freund, "gerade da. LKW Fahrer. Ständig sind LKW Fahrer gezungen, zu entscheiden, ob sie Fahrtzeiten ungesetzlich verlängern, mehr Stunden als erlaubt hinterm Steuer zu sitzen auf Geheiß des Chefs oder eine Kündigung zu riskieren. Ob sie die Fahrtenbücher korrekt führen, ob sie die vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten, oder das tun, was ihr Vorgesetter verlangt, nämlich so zu arbeiten, das möglichst viel verdient wird - auch wenn das Unfallrisiko auf den Autobahnen und das persönliche Risiko dadurch steigt und das nicht nur bei Gefahrgutlastwagen. Und Krankenschwestern, meine Güte, wie oft von denen verlangt wird, wegzuschauen, Illegales zuzulassen, oder möglicherweise nicht weiterbeschäftigt zu werden, das geht auf keine Kuhhaut."

Da stand ich mit meiner Jahreslosung und meiner Empörung. Anscheinend gibt es viel mehr Momente und Möglichkeiten, in denen man vor der Entscheidung steht, Böses zu überwinden mit Gutem oder es sein zu lassen. Wahrscheinlich gibt es viele mehr Heldinnen und Helden, die genau dies tun und kaum einer merkt es. Und sie tragen die negativen Konsequenzen. Kenne ich einen solchen Helden?

Wahrscheinlich gibt es mindestens genauso viele oder mehr, die dies nicht tun, die aus Angst oder falschverstandener Loyalität oder andern guten Gründen schweigen und wegschauen. Wahrscheinlich gibt es für Gutes tun nicht automatisch eine Belohnung. Möglicherweise ist es gut, im neuen Jahr auf solche Momente und Möglichkeiten zu achten, in denen wir das Böse mit Gutem überwinden können. Zu welchem Preis?

Wie werden Sie entscheiden? Wie würde ich entscheiden?
Auf ein gutes neues Jahr 2011

Uwe Martini, Direktor des RPI

Samstag, 11. Dezember 2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Am  1. Adventswochenende ging ich über den Marburger Weihnachtsmarkt und kam  am dortigen Weltladen vorbei. Im Schaufenster sah ich eine dieser  typischen Figuren aus Ton, Kunsthandwerk aus Peru, einen Campesino, der  fröhlich seine Panflöte spielte. Doch seltsamerweise entwuchsen ihm  aus seinem Rücken ein paar stolze Engelsflügel: Ein geflügelter  Campesino.

Nun kennen wir alle die Darstellungen des  unterdrückten Campesinos als Christusfigur am Kreuz oder schwarze  Madonnenbilder. Diese wollen Aneignung ausdrücken. Für uns  Indiobevölkerung Lateinamerikas ist kein hellhäutiger Nordeuropäer am  Kreuz gestorben, wie es bspw. die Kruzifidarstellungen in deutschen  Kirchen verkünden. Vielmehr ist Christus einer von uns, er ist Teil  unserer Gemeinsschaft und Maria ist unsere Schwester, er ist unser  Bruder. Aber diese geflügelte Campesinogestalt ist noch etwas anderes. 

Nun  bin ich mir in der Engelsdeutung nicht ganz einig mit mir selbst.  Ein  Teil von mir singt gerne das Lied mit: "Wirst du für mich, werd ich für  dich ein Engel sein..." und interpretiert die Engelssymbolik als  Mitmenschlichkeit und Füreinanderdasein, immer eingedenk des Satzes:  Gott hat keine anderen Hände als die unseren. Wobei zu bedenken ist,  dass gerade in der Weihnachtszeit, in der von der Menschwerdung Gottes  die Rede ist, in jeder Mitmenschlichkeit immer auch eine Menge   Göttliches mitschwingt.  Auf der anderen Seite gibt es etwas in mir,  dass Gottes Gegenwart nicht in das menschliche Tun und Handeln hinein  auflösen möchte, sondern auch unabhängig davon selbstständig am Wirken  sieht. Gott ist gegenwärtig in unserem Leben, auch wenn wir von den  Menschen verlassen sind.

Nun, sei es wie es sei, der geflügelte  Campesino steht für mit in diesem Advent als ein großes Ausrufezeichen.  Er ermutigt mich, offen zu sein für Gottes Überraschungen. Gottes  Gegenwart und Nähe mag ganz anders aussehen, als ich es mir vorstelle  und als ich es mir erwarte und wünsche.  So stehe ich vor dem  Schaufenster und bin dankbar für diese Ermahnung. Ich habe mir einen  dieser kleinen geflügelten Gestalten gekauft.  Er sitzt gerade vor mir  auf dem Schreibtisch.  Seine Botschaft für mich lautet:  "Seit  Weihnachten ist Gott in dieser Welt. "  Gott ist in unserem Leben  gegenwärtig. Möglicherweise sieht diese Gegenwart sehr überraschend  anders aus.  Auch schon Bethlehem war für viele eine große  Überraschung.  Also lassen Sie uns offen für Gottes Gegenwart durch den  Advent gehen. Lassen wir uns überraschen von Gott!

Ein fröhliches Weihnachtsfest wünscht Ihnen
Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI

Samstag, 30. Oktober 2010

''Die Jugend recht bilden ist etwas mehr als Troja erobern.''

''Die Jugend in den Schulen vernachlässigen, heißet nichts anderes, als den Frühling aus dem Jahre hinwegnehmen. Wahrhaftig die nehmen den Frühling aus dem Jahre hinweg, welche die Schulen verfallen lassen, weil ohne sie die Religion nicht erhalten werden kann. Und schreckliche Finsternisse werden in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft die Folge sein, wenn man das Studium der Wissenschaften vernachlässigt.'' Zitat von J.Calvin

Freitag, 17. September 2010

Wasser zu Wein


Liebe Kolleginnen und Kollegen

An den diesjährigen "Schönberger Tagen" habe ich jeden Morgen die Teilnehmenden begrüßt. Zu dieser Begrüßung gehört ein kleiner Impuls zur Besinnung, oder wie Sie es auch immer nennen möchten.

Dieses Jahr waren mir zwei  kleine Geschichten zur "Hochzeit in Kana" in die Hände gefallen. Die erste ist eigentlich nur eine kleine humorvolle Geschichte. Sie erzählt von einer Situation im Religionsunterricht einer 4. Klasse. Der Lehrer macht seine Sache gut. Er erzählt sehr lebendig und fädelt in die Erzählung Informationen über den Lebensalltag der Menschen zur Zeit Jesu ein. Dass die Vorbereitungen zum Hochzeitsfest eine ganze Woche mindestens dauerten.  Dass sich Familien zum Teil hoch verschuldeten, um dieses Fest ausrichten zu können. Dass es eine Superkatastrophe war, als der Wein ausging und was für eine Sensation und Überraschung, als Jesus plötzlich Wasser in besten Wein verwandelte. Sein Impls dann: "Was haben die Leute wohl gedacht, als Jesus so viel Wein machte?" Ein Junge meldete sich und antwortete: "Den laden wir auch mal ein!"
Die zweite Geschichte ist hintergründiger und fast verstörend. Sie soll sich zugetragen haben an der Theol. Fakultät der  Universität in Oxford. Dort wurden Examensklausuren geschrieben und Thema waren die Wundergeschichten am Beispiel der "Hochzeit zu Kana". Vier Stunden hatten die Studierenden Zeit und alle mühten sich redlich, bis auf einen. Der schrieb kein Wort. Als es Zeit zum Abgeben wurde, sprach ihn der Dozent an, ob er nicht wenigsten einen Satz schreiben wolle.  Da schrieb er nur einen einzigen Satz:"Das Wasser in den Krügen erkannte Jesus, den Erlöser, wurde ganz rot vor Liebe und verwandelte sich in den Wein der Freude."

Wir sind es gewohnt in den Wundern die verwandelnde und heilende Kraf, ausgehend zu sehen vom Wundertätigen. Er, Jesus, der mit besonderen Kräften ausgestattet ist, er bewirkt das Wunder.   Diese kleine Geschichte bringt mich zum Nachdenken, welchen Anteil der zu Verwandelnde und der zu Heilende an dem Wunder hat. Möglicherweise mehr als ich dachte. Das Wasser erkannte Jesus. Letztlich versuchen wir im Religionsunterricht ja nichts anderes als zu dieser Erkenntnis zu führen. Die Kinder und Jugendlichen sollen -auf ihre Art und Weise - Jesus erkennen als Erlöser, als den, der die Kraft hat ihr Leben zu verwandeln. Ich finde es ist ein schöner Gedanke, sich vorzustellen wie einige von unseren Schülern  rot werden vor Liebe und sich in Wein der Freude verwandeln.

Und letztlich ist es auch ein schönes Bild für uns selbst. Denn diese Erkenntnis von Jesus als dem Erlöser geschieht ja nicht ein für allemal, sondern immer wieder.  Also, laßt uns rot werden vor Liebe uns laßt uns verwandeln in Wein der Freude.

Freitag, 27. August 2010

Rätselhafter Altar

Auf unserer Klausur in Eisenach waren wir untergebracht im "Haus Hainstein": Super Haus. Und dabei gibt es eine Kapelle, in der wir unsere Gottesdienste feierten. Rechts und links neben dem Kreuz im Altarraum finden sich zwei Skulpturen mit je fünf Gestalten, die rechten weisen nach unten, die linken nach oben. Im linken Fünferblock fällt eine der - ansonsten in Gold gehaltenen Figuren - durch eine schwarze Färbung auf. wer weiß, um was es sich hier handelt? Wer kennt Künster und Bedeutung des Werkes?

Link zu Haus Hainstein
Bildergalerie Klausur

Mittwoch, 18. August 2010

Stammtisch mit Konfieltern

In Mainzlar treffen sich die Konfieltern mit der Pfarrerin zum Stammtisch, drei - bis viermal während eines Konfijahrgangs. Bei Wein oder Bier wird im wahrsten Sinne des Wortes über "Gott und die Welt" gesprochen. Für viele Menschen ein niederschwelliges Angebot über Fragen nach Gott und Glauben ins Gespräch zu kommen. Super.

Hier die PDF Datei aus dem neuen Jahresbericht der EKHN. Konfirmation für die ganze Familie

Zum Jahresbericht!

Freitag, 13. August 2010

Schönberger Tage

Jedes Jahr am Ende der Ferien treffen sich in unserem haus Lehrerinnen und Lehrer, um sich auf das neuen Schuljahr vorzubereiten. Aber auch, um zu feiern, zu beten und gemeinsam sich auszutauschen. Für uns Dozente/innen sind dies zwei "tolle Tage", viel Arbeit, viele Gespräch, viel Kraft, viel Energie, viel Freude und dann auch rechtschaffene Müdigkeit. Es waren zwei wirklich gute Tage. Es tut gut mitzuerleben, mit wie viel Engagement Lehrerinnen an das neue Schuljahr gehen und wie liebevoll sie Ihren Untericht für die Schülerinnen und Schüler planen. Es hat gutgetan zu merken, wie wichtig solche Fortbildunsveranstaltungen sind, wenn Rückmeldungen kommen wie: "Jetzt habe ich einen Weg gefunden, diese Kompetenzorientierung zu verstehen und für mich nutzbar zu machen". Es tut auch gut, solche Sätze zu hören wie: "Hier erlebe ich meine Kirche als eine lebendige Kirche, die für mich da ist." Und es war natürlich auch super, am Abend zu feiern, zumal mit einer solchen band wie Celtic Chakra.

Fotostrecke zu dem Konzert

Fotostrecke zu den Schönberger Tagen

Mittwoch, 4. August 2010

Altes Nassauisches Gesetz aus dem Jahre 1721

Schullehrer sollen mindestens 20 Jahre alt sein,
richtig lesen und mit geläufiger Hand schreiben können.
Sie sollen die Anfänge der Rechenkunst verstehen,
Psalmen und die meisten geistlichen Lieder singen können
und in den Gründen der christlichen Lehre wohl unterrichtet sein.

Bei der Wahl zum Lehrer sollten nicht allein
der Verstand ausschlaggebend sein,
sondern auch die Eigenschaften des Herzens
und die Reinheit der Sitten.

Dienstag, 3. August 2010

Herr Jesu Christ, meines Lebens Licht

Aus dem 1800 von Johann Wilhelm Recke (1764-1835) aus Lennep herausgegebenen Gesangbuch: "Christliche Gesänge zur Beförderung eines frommen Sinnes und Wandels und zum Gebrauch bei der öffentlichen und häuslichen Gottes-Verehrung", Elberfeld, Druck und Verlag von Sam. LucasA. Das Gesangbuch wurde 1808 in Lennep eingeführt und war dort bis 1860 in Gebrauch.

Auf die Melodie "Herr Jesu Christ, meines Lebens Licht" wurde als Lied Nr. 385 gesungen:

(1) Das Amt der Lehrer, Gott, ist dein;
Dein soll auch Dank und Ehre sein,
Daß Du der Kirche, die du liebst,
Noch immer treue Lehrer gibst.
(2) Gesegnet sei ihr Amt und Stand!
Sie pflanzen, Herr, von dir gesandt,
Von Jahr zu Jahr dein heilig Wort,
Und mit ihm Licht und Tugend fort.
(7) Laß ihrer Fehler wegen nicht,
Verachtet sein ihr Unterricht!
Nimm, Gott, auch ihrer Schwachheit dann,
So wie der unsrigen dich an!
(8) Der Frevel sei verbannt, o Gott,
Zu kränken sie durch Haß und Spott!
Gib, daß ihr Herz von Seufzern frei,
Und fern von bangen Sorgen sei."

Montag, 2. August 2010

Unheimliche Grüße

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie einen Brief in der Post finden, abgeschickt von einem Freund, der vor bereits verstorben ist. Grüße aus dem Jenseits? Diese Frage wird uns wahrscheinlich in Zukunft beschätigen. Warum? Sie kennen sicherlich mindestens eines der großen Social Networks unserer Zeit: Wer kennt Wen? oder Facebook, oder, oder... Sind Sie selbst in einem oder mehrerer dieser Networks Mitglied und haben dort ein Profil hinterlegt? Sie sind junge und neue Phänomene der Netzgesellschaft, aber es wird ein Zeitpunkt kommen, in dem auch diese Netzuser schlicht und  einfach sterben. Was geschieht im Todesfall mit meinen gespeicherten Daten und Kommunikationen? 

Ich stieß auf folgende Meldung: " Facebook-Status: 'Ich bin tot'. Schwedische Seite verschickt Nachrichten aus dem Jenseits.  Oft bleiben sie online - obwohl ihre Besitzer gestorben sind: Die Profile von Toten in sozialen Netzwerken. Für Angehörige eine zusätzliche Belastung. Doch eine schwedische Seite verspricht Hilfe. Sie verschickt letzte Nachrichten der Toten aus dem Jenseits."

Waren die "virtuellen Begräbnisstätten" bislang eher absurde bis zumindest extreme Formen der Gedächtnisarbeit einiger weniger exzentrischer Menschen, so bleiben in Zukunft wohl als Regelfall und als Abfallprodukt eine Vielzahl von virtuellen Gedenkorten in Form von digitalen Fragmenten  nach dem Tod eines Menschen erhalten. Möchte ich das eigentlich? Wer löscht meine Datenspuren und meine Fotos, meine Personenprofile und Kennworte aus dem Internet, wenn ich einmal sterben sollte? Verändert sich unsere Trauerkultur dadurch, dass praktisch jeder über das Netz zu einer öffentlichen Figur wird und daher ebenso wie Marylin und Elvis stets abrufbar bleibt - in alle Ewigkeit einfach durch eine Google-Bildersuche?

Für mich war die Vorstellung des Todes als Grenze, die ich überschreite hinein in eine neue andere Welt immer ein tröstlicher Gedanke. Und dazu gehörte immer auch hdie Idee, dass hier auf dieser Erde nichtszurückbleibt außer Staub aus dem ich ward und zu dem ich wieder werde.

Vielleicht kann man über so eine Frage ja auch einmal mit Schülern oder mit Konfis reden.

 

Ihr Uwe Martini , Direktor RPZ Schönberg 

Manchmal sind es die Rahmenbedingungen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"An der Schule gibt es für alle Lerngruppen große Räume, es ist viel Platz und meistens sind zwei Lehrkräfte in einer Gruppe", so begann eine Kollegin kürzlich von der neuen Schule zu erzäheln, an der sie seit diesem Schuljahr unterrichtet. "Die Kinder sind es gewohnt, viel selbstständig zu arbeiten.  Sie helfen sich gegenseitig. Während sich ein Teil mit der einen Aufgabe beschäftigt, können andere zusammen ein Projekt bearbeiten oder sich kreativ betätigen. Es gibt viel Stationenarbeit", fährt sie fort. Schule entwickelt sich. Viele Schulen versuchen bessere und angemessenere lernumgebungen zu schaffen, in denen die Kinder besser gefördert werden können, in denen die Kinder ihre Kompetenzen besser entfalten können.

"Und dann", fährt die Kollegin resigniert fort, "dann kommt der konfessionelle Religionsunterricht.  Ich sitze mit meinen Schülerinnen und Schülern in einem kleinen Raum. Ssie sind aus drei Lerngruppen zusammengerufen und kaum jedes Kind hat gerade mal einen eigenen Sitzplatz. Und da wundere ich mich, dass in meinem Unterricht nichts klappt. Ich komme mit meinen IOdeen einfach nicht durch." Schule entwickelt sich weiter und der konfessionelle Religionsunterricht geht nicht mit.

Das Fazit der Kollegin: "Der konfessionelle RU scheitert nicht an den rechtlichen Vorgaben, sondern an den äußeren Rahmenbedingungen der Schule".

Was können wir tun? 
 

das fragt Sie 
Ihr 
Uwe Martini , Direktor RPZ Schönberg

Die Hundeschnauze

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Abends beim Fernsehen. Plötzlich zwängt sich eine Hundeschnauze unter die Hand. Das ist unsere Berner Sennenhündin Selma. Sie möchte nun gestreichelt werden. Das hatten uns schon die Züchter gesagt: "Wenn ein Berner Streicheleinheiten haben will, holt er sie sich auch." In der Tat, Selma läßt sich nicht abschütteln. Sie ist beharrlich und ja, ok aufdringlich. Sie läßt nicht locker. Unsere zweite Bernerin, Kalin, ebenso. Ein Berner will gestreichelt werden. er gibt nicht auf bis er sein Ziel erreicht hat.  Das ist ja eigentlich auch völlig in Ordnung, ja mehr, es ist ja eigentlich schön.

Gut, manchmal ist einem nicht nach Hundestreicheln. Bei einem wichtigen Telefonat, beim Arbeiten am PC, im Gespräch mit Freunden oder beim Essen am Tisch. Es gibt in der Tat Situationen, in denen ich keine Lust habe, Selma oder Kalin zu verwöhnen. Aber wie gesagt: Wenn ein Berner Sennenhund gestreichelt werden will, dann erreicht er dieses Ziel in der Regel. Selma genießt es dann, Aufmerksamkeit zu haben, Zuneigung zu empfinden, Kalin wirft sich auf den Rücken, streckt alle viere in die Luft, die Schwänze schlagen vor Glück den Takt dazu.

Mir fällt ein Konfirmand ein - auf der letzten Konfifreizeit. Wie unbeabsichtigt war er immer ein paar Momente vor den anderen an der Tür zum Gruppenraum, beim Essen, zur Andacht. Immer nur für ein paar beiläufige Sätze und nichts Besonderes.Aber es kam mir seltsam vor. Es war kein Zufall. Jetzt, im Nachhinein denke ich, er suchte Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Ich glaube, dass Kinder und Jugendliche in unserem Unterricht und unserer pädagogischen Arbeit uns sehr oft, solche Signale senden. Mir fallen einige ein. Und Ihnen?  Achten Sie doch einmal auf diese Signale von Kindern und Jugendlichen, die auf der Suche sind nach Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Zuwendung. Als Christen haben wir doch eigentlich mehr als genug davon.

Als Religionspädagogen, die von einem Gott herkommen, der sich uns zuwendet und uns wertschätzt, sollten wir eine Haltung der Wertschätzung und Zuwendung gegenüber den Kindern und Jugendlichen einüben. Denn sie kommt nicht von selbst.

Bei Selma und Kalin ist es einfach. Da kommt ein Schnauze, da drückt sich ein Fellbündel an das Bein und die Botschaft ist klar. Selma und Kalin organisieren sich ihre Streicheleinheiten. Sie kommen nicht zu kurz. Die Kinder sind da anders.

Ich bin davon überzeugt, dass nur ein Untericht, der auf einer Kultur der Zuwendung und der Wertschätzung basiert, ein guter Unterricht sein kann. Und unsere Kinder und Jugendlichen brauchen von uns diese Zuwendung und Wertschätzung dringend.

Es grüßt Sie

Ihr Uwe Martini , Direktor RPZ Schönberg

Pedro und die Nachhaltigkeit des Urlaubs

„Wunderbar“, antworte ich auf die Frage nach unserem Urlaub und schwärme. Aber zuletzt seufze ich: „Leider ist Urlaub nicht nachhaltig.“ Denn danach musste ich waschen, Stapel von Post erledigen, aufräumen... und die Pflanzen draußen brauchten Pflege.

 

Dabei fiel mein Blick auf Pedro, den Mexikaner aus Ton. Das Gesicht von einem Sombrero versteckt, die Arme um die Knie geschlungen, hält er gemütlich Siesta auf unserer Terrasse. Er spricht mit mir, allein durch seine Haltung. Diesmal schimpfte er. „Warum motzt du herum? Du hattest einen tollen Urlaub! Keiner verlangt, dass du jetzt wieder rotierst. Entspann dich!“ Als die Pflanzen versorgt und die Terrasse geputzt war, habe ich also Pedro gegenüber die Beine hoch gelegt. Obwohl im Wohnzimmer noch Unordnung herrschte. Es war ein bisschen wie nachhaltiger Urlaub. 

 

„Geht allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig!“ empfahl Jesus seinen Jüngern nach einem anstrengenden Tag. Denn er wusste, was wir brauchen, und er wollte, dass wir es bekommen. Wir alle klagen ständig über wachsende Belastung und schrumpfende Freizeit - wirbeln aber mit. Eine große Wochenzeitung hat der Muße neulich einen Leitartikel gewidmet. Denn das Thema scheint immer drängender an Aktualität zu gewinnen in diesen aufreibenden Zeiten. „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ zitierte man lange mit erhobenem Finger. Vielleicht sollte man das Sprichwort umformulieren. Etwa so: „Müßiggang ist aller Arbeit Anfang.“ Wenn nämlich der Akku leer ist, geht gar nichts. 

 

Warum nicht dieses Mal tatsächlich eine Portion Urlaub oder leichtes Sommergefühl in den Alltag retten? Pedro bekommt jetzt jedenfalls einen Ehrenplatz. Sicher haben Sie zuhause auch irgendetwas, das Sie erinnern kann: Was hat dir gut getan? Was hindert dich daran, das weiter zu tun? Auf einen Ehrenplatz damit!

(Reflexionen meiner Frau Jutta Martini für eine Gießener Tageszeitung im August 2010)

 

Montag, 26. Juli 2010

Gedanken zum Psalm 126

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Den Psalm 126 übersetzt Luther folgendermaßen: "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan! Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. Herr bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben."

Die Frage dieses Psalmes ist die Frage nach Vergangenheit oder Zukunft. In den modernen Bibelbesetzungen finden wir die Vergangenheitsform: “Als der Herr das Los
der Gefangenschaft Zions wendete, da waren wir alle wie Träumende.” (Einheitsübersetzung) oder “Als der Herr uns heimbrachte, zurück zum Berg Zion, da kamen wir uns vor wie im Traum.” (Gute Nachricht Bibel) Luther übersetzt Zukunft: "Wenn der Herr erlösen wird".

Spüren Sie den Unterschied: Wenn ich in der Zukunft bleibe, rede ich von einer Sehnsucht, die sich in die nicht weiter bestimmte Zukunft richtet. Ja, es ist ein Hoffnungssatz, aber er bleibt vage. Wenn ich aber die Vergangenheit benutze, dann klingt es anders: “Als der Herr die Gefangenen befreite, da waren wir wie Träumende". Jetzt rede ich von einer ganz konkreten Erinnerung. Gottes Hilfe und rettende Kraft sind eine geschichtliche Erfahrung. Hier erfahre ich etwas über Gott. Der Psalmbeter sagt: Erinnert ihr euch, als Gott unsere Gefangenen befreite, wie glücklich wir waren. So ist unser Gott. So handelt er.

Ich erfahre auch über diesen Gott, daß er mit sich reden läßt. Ich setze mich zu ihm in Verbindung und behafte ihn auf sein vergangenes Handeln. So, wie du einmal getan hast, so tue nun erneut! Ich kann die Erinnerung der Geschichte als Hoffnung in die Zukunft verlängern.

Damals als Gott in einer ganz bestimmten Krisensituation an mir Gutes getan hat. Es braucht nur eine einzige dieser Erfahrungen. Eine reicht, um Gott darauf behaften zu können und zu sagen: Tu es wieder! Diese beiden Erkenntnisse machen mir diesen Psalm so wichtig und vielleicht machen diese beiden Dinge auch einen lebendigen und geschichtswirksamen Glauben aus. Die aktive Erinnerung an Gottes Handeln an mir und das Reden, das Inbeziehungbleiben zu diesem Gott, das ihn als Gegenüber immer wieder mit der gewesenen geschichtlichen guten Tat konfrontiert. So entsteht Zukunft, so entsteht Hoffnung.

Wenn wir religionspädagogisch denken, ergibt sich daraus ein ganzes Programm: Was können wir als LehrerInnen und PfarrerInnen tun, damit die Jugendlichen und die Kinder, mit denen wir es zu tun haben so von und zu Gott reden können? Unser Glaube hat für Jugendliche oft keine Gestalt. Keine Form - keinen Körper. Und ist deshalb nicht erkennbar. Aufgabe der Religionspädagogik wäre daher gestaltgebendes Handeln. Versuchen wir, dass in uns Glaube eine Gestalt bekommt für die Jugendlichen. Versuchen wir eine erkennbare Gestalt in unserem Glauben zu sein. dann besteht die Chance, daß die Schülerinnen und Schüler auch wieder eine Gestalt von Glaube für sich selbst erkennen können. Dann nimmt auch Gott wieder Gestalt an. Dann ist Gott erkennbar. Dann ist auch sein Handeln erkennbar - identifizierbar.

Als solcher ist Gott ein Gegenüber, zu dem ich mich in Verbindung setzen kann. Und wenn ich sein Handeln an mir erkennen kann, dann kann ich beten: So wende o Herr mein Schicksal, so wie du es bereits schon einmal getan hast.

Uwe Martini, Studienleiter
(aus Newsletter Februar 2002)