Seiten

Samstag, 11. Dezember 2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Am  1. Adventswochenende ging ich über den Marburger Weihnachtsmarkt und kam  am dortigen Weltladen vorbei. Im Schaufenster sah ich eine dieser  typischen Figuren aus Ton, Kunsthandwerk aus Peru, einen Campesino, der  fröhlich seine Panflöte spielte. Doch seltsamerweise entwuchsen ihm  aus seinem Rücken ein paar stolze Engelsflügel: Ein geflügelter  Campesino.

Nun kennen wir alle die Darstellungen des  unterdrückten Campesinos als Christusfigur am Kreuz oder schwarze  Madonnenbilder. Diese wollen Aneignung ausdrücken. Für uns  Indiobevölkerung Lateinamerikas ist kein hellhäutiger Nordeuropäer am  Kreuz gestorben, wie es bspw. die Kruzifidarstellungen in deutschen  Kirchen verkünden. Vielmehr ist Christus einer von uns, er ist Teil  unserer Gemeinsschaft und Maria ist unsere Schwester, er ist unser  Bruder. Aber diese geflügelte Campesinogestalt ist noch etwas anderes. 

Nun  bin ich mir in der Engelsdeutung nicht ganz einig mit mir selbst.  Ein  Teil von mir singt gerne das Lied mit: "Wirst du für mich, werd ich für  dich ein Engel sein..." und interpretiert die Engelssymbolik als  Mitmenschlichkeit und Füreinanderdasein, immer eingedenk des Satzes:  Gott hat keine anderen Hände als die unseren. Wobei zu bedenken ist,  dass gerade in der Weihnachtszeit, in der von der Menschwerdung Gottes  die Rede ist, in jeder Mitmenschlichkeit immer auch eine Menge   Göttliches mitschwingt.  Auf der anderen Seite gibt es etwas in mir,  dass Gottes Gegenwart nicht in das menschliche Tun und Handeln hinein  auflösen möchte, sondern auch unabhängig davon selbstständig am Wirken  sieht. Gott ist gegenwärtig in unserem Leben, auch wenn wir von den  Menschen verlassen sind.

Nun, sei es wie es sei, der geflügelte  Campesino steht für mit in diesem Advent als ein großes Ausrufezeichen.  Er ermutigt mich, offen zu sein für Gottes Überraschungen. Gottes  Gegenwart und Nähe mag ganz anders aussehen, als ich es mir vorstelle  und als ich es mir erwarte und wünsche.  So stehe ich vor dem  Schaufenster und bin dankbar für diese Ermahnung. Ich habe mir einen  dieser kleinen geflügelten Gestalten gekauft.  Er sitzt gerade vor mir  auf dem Schreibtisch.  Seine Botschaft für mich lautet:  "Seit  Weihnachten ist Gott in dieser Welt. "  Gott ist in unserem Leben  gegenwärtig. Möglicherweise sieht diese Gegenwart sehr überraschend  anders aus.  Auch schon Bethlehem war für viele eine große  Überraschung.  Also lassen Sie uns offen für Gottes Gegenwart durch den  Advent gehen. Lassen wir uns überraschen von Gott!

Ein fröhliches Weihnachtsfest wünscht Ihnen
Ihr
Uwe Martini, Direktor des RPI

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen