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Montag, 26. Juli 2010

Gedanken zum Psalm 126

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Den Psalm 126 übersetzt Luther folgendermaßen: "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan! Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. Herr bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben."

Die Frage dieses Psalmes ist die Frage nach Vergangenheit oder Zukunft. In den modernen Bibelbesetzungen finden wir die Vergangenheitsform: “Als der Herr das Los
der Gefangenschaft Zions wendete, da waren wir alle wie Träumende.” (Einheitsübersetzung) oder “Als der Herr uns heimbrachte, zurück zum Berg Zion, da kamen wir uns vor wie im Traum.” (Gute Nachricht Bibel) Luther übersetzt Zukunft: "Wenn der Herr erlösen wird".

Spüren Sie den Unterschied: Wenn ich in der Zukunft bleibe, rede ich von einer Sehnsucht, die sich in die nicht weiter bestimmte Zukunft richtet. Ja, es ist ein Hoffnungssatz, aber er bleibt vage. Wenn ich aber die Vergangenheit benutze, dann klingt es anders: “Als der Herr die Gefangenen befreite, da waren wir wie Träumende". Jetzt rede ich von einer ganz konkreten Erinnerung. Gottes Hilfe und rettende Kraft sind eine geschichtliche Erfahrung. Hier erfahre ich etwas über Gott. Der Psalmbeter sagt: Erinnert ihr euch, als Gott unsere Gefangenen befreite, wie glücklich wir waren. So ist unser Gott. So handelt er.

Ich erfahre auch über diesen Gott, daß er mit sich reden läßt. Ich setze mich zu ihm in Verbindung und behafte ihn auf sein vergangenes Handeln. So, wie du einmal getan hast, so tue nun erneut! Ich kann die Erinnerung der Geschichte als Hoffnung in die Zukunft verlängern.

Damals als Gott in einer ganz bestimmten Krisensituation an mir Gutes getan hat. Es braucht nur eine einzige dieser Erfahrungen. Eine reicht, um Gott darauf behaften zu können und zu sagen: Tu es wieder! Diese beiden Erkenntnisse machen mir diesen Psalm so wichtig und vielleicht machen diese beiden Dinge auch einen lebendigen und geschichtswirksamen Glauben aus. Die aktive Erinnerung an Gottes Handeln an mir und das Reden, das Inbeziehungbleiben zu diesem Gott, das ihn als Gegenüber immer wieder mit der gewesenen geschichtlichen guten Tat konfrontiert. So entsteht Zukunft, so entsteht Hoffnung.

Wenn wir religionspädagogisch denken, ergibt sich daraus ein ganzes Programm: Was können wir als LehrerInnen und PfarrerInnen tun, damit die Jugendlichen und die Kinder, mit denen wir es zu tun haben so von und zu Gott reden können? Unser Glaube hat für Jugendliche oft keine Gestalt. Keine Form - keinen Körper. Und ist deshalb nicht erkennbar. Aufgabe der Religionspädagogik wäre daher gestaltgebendes Handeln. Versuchen wir, dass in uns Glaube eine Gestalt bekommt für die Jugendlichen. Versuchen wir eine erkennbare Gestalt in unserem Glauben zu sein. dann besteht die Chance, daß die Schülerinnen und Schüler auch wieder eine Gestalt von Glaube für sich selbst erkennen können. Dann nimmt auch Gott wieder Gestalt an. Dann ist Gott erkennbar. Dann ist auch sein Handeln erkennbar - identifizierbar.

Als solcher ist Gott ein Gegenüber, zu dem ich mich in Verbindung setzen kann. Und wenn ich sein Handeln an mir erkennen kann, dann kann ich beten: So wende o Herr mein Schicksal, so wie du es bereits schon einmal getan hast.

Uwe Martini, Studienleiter
(aus Newsletter Februar 2002)

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