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Montag, 26. Juli 2010

Brief eines Lehrers an seine Klasse

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Am Montag werden wir uns wiedersehen. Ich bin gespannt auf Euch. Wie wird es Euch in den Sommerferien ergangen sein? Einige von Euch werden Muehe haben aus dem Bett zu kommen und sich quaelen. Andere werden sich freuen, wieder aus einer unerfreulichen Familiensituation freizukommen. Wird Benny seinen Liebeskummer ueberwunden haben? Hat Sylvia immer noch so viel Angst, etwas von sich zu offenbaren? Sven, den alle als Streber haenseln, hat er in den Ferien Gelassenheit und Ruhe gefunden? Sascha und Myra hatten die Versetzung gerade noch geschafft. Kehren die beiden mit Befuerchtungen oder mit Zuversicht ins Klassenzimmer zurueck? Knut kommt aus einer sozial schwachen Familie und leidet darunter, dass er in Sachen Outfit nicht mithalten kann. Babsi ist letztes Jahr neu in die Gruppe gekommen und hat es noch nicht geschafft Anerkennung zu finden. Am Montag geht die Schule wieder los. Und wir erwarten von euch, dass ihr puenktlich seid, dass ihr euch anstaendig benehmt, dass ihr engagiert und kritisch mitarbeitet. In Mathematik, in Deutsch, in Englisch und auch in Religion. Dieses Fach Religion ist Teil eures Stundenplanes, damit ihr zum Beispiel die Geschichte von Zachaeus kennenlernt:

Zachaeus war klein und fuehlte sich klein und war voller Sorgen. Ihn mochte keiner. Eines Tages erfuhr er, dass Jesus in die Stadt kommt. Und dass Jesus ein besonderer Mann war, der Menschen veraendern kann. Zachaeus kletterte auf einen Baum, um Jesus zu sehen in der grossen Menschenmenge. Und das Ueberraschende war: Jesus blieb stehen und entdeckte ihn im Baum, schaute ihn zaertlich an und sagte: Heute will ich zu dir kommen und dein Gast sein. Vor Freude und Schrecken fiel Zachaeus beinahe vom Baum herab. Fuer ihn aenderte sich an diesem Tag etwas ganz Entscheidendes in seinem Leben.

Das, was Zachaeus geschehen ist, wuensche ich euch: Dass ihr nicht nach Aeusserlichkeiten und nur nach Leistungen beurteilt werdet, dass ihr Lehrerinnen habt, die offen und grossherzig mit euch umgehen, die euch so lassen, wie ihr seid. Ich wuensche Euch, das jede und jeder mit allen Sorgen und Aengsten auch und gerade in der Schule spuert: “Ich bin ein wertvoller Mensch. Gottes Augen schauen mich zaertlich an." Dann wird es ein gutes Schuljahr werden. "

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind diejenigen, die diese Geschichten zu erzaehlen haben. Manchmal auch uns gegenseitig, manchmal auch uns selbst. Auch Sie als Pfarrerin und Pfarrer, als Lehrerin und Lehrer werden im kommenden Schuljahr sich erinnern duerfen: Wir brauchen nicht nur nach Ausserlichkeiten und Leistung uns beurteilen lassen. Denn Gott schaut uns zaertlich an. erinnern Sie sich daran und sagen Sie es weiter. Dann wird es ein gutes Schuljahr werden.

Ihr Uwe Martini
(aus Newsletter August 2000)

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